Physikalische Biochemie
Bei der Synthese von Proteinen müssen ihre Bausteine, die Aminosäuren, in der korrekten Reihenfolge aneinander gereiht werden (Translation) – in manchen Fällen viele Hundert oder mehrere Tausend Bausteine – und die korrekte räumliche Struktur muss gebildet werden. Die makromolekularen Maschinen, die diese Prozesse bewerkstelligen, sind die Ribosomen. Sie bestehen aus über 50 Proteinkomponenten und – je nach Organismus – drei oder vier Ribonukleinsäure (RNA)-Molekülen. Unsere Abteilung untersucht die Funktion von Ribosomen mit Hilfe verschiedener biophysikalischer Methoden wie der Fluoreszenzspektroskopie und schneller kinetischer Techniken.
Präzisionsarbeit
Auch wenn Hunderte, manchmal sogar Tausende von Aminosäuren aneinandergereiht werden, kommt es auf jede einzelne an. Ein einziger falscher Baustein kann das Protein arbeitsunfähig machen. Schlimmstenfalls kann ein defektes Protein sogar Schaden anrichten. Wie es den Ribosomen gelingt, die Fehlerquote so erstaunlich niedrig zu halten, interessiert uns deshalb besonders. Bekannt ist bereits, dass Ribosomen auf einen Kontakt mit einem falschen Baustein gewöhnlich nicht reagieren. Nur wenn der richtige Baustein andockt, löst das eine prompte Strukturveränderung aus, die schließlich zur Verknüpfung der Aminosäuren führt. Das Ribosom bringt zwei Aminosäuren derart in Position, dass sie bereitwillig in Verbindung treten. So wird das Ribosom zum Katalysator, der die Verkettung von Aminosäuren zehn Millionen Mal beschleunigt. Welche molekularen Prozesse bei der Strukturveränderung im Spiel sind und wie der katalytische Mechanismus im Detail funktioniert, versuchen wir derzeit herauszufinden.
Erwünschte "Fehler"
Gewöhnlich läuft die Produktion eines Proteins nach Plan. Ein Bauplan aus Ribonukleinsäure gibt genau vor, welche der zwanzig gängigen Aminosäuren in welcher Reihenfolge aneinandergehängt werden müssen. Fehler sind selten – manchmal aber sogar notwendig, um das gewünschte Protein zu erhalten: Nur wenn das Ribosom scheinbar einen Fehler macht, kann es spezielle Aminosäuren wie Selenocystein einbauen, die nicht zum Standardrepertoire der Aminosäuren gehören. Doch welche Mechanismen erlauben solche Ausnahmen von der Regel? Wenn wir das ergründen, hoffen wir zugleich, besser zu verstehen, wie Fehler normalerweise vermieden werden. Möglicherweise lassen sich solche Erkenntnisse eines Tages auch medizinisch nutzen.
Laufend umstrukturiert
Während das Ribosom ein Protein Schritt für Schritt zusammenbaut, verändert es im selben Rhythmus seine räumliche Struktur. Dabei kommen bestimmte Proteinfaktoren ins Spiel. Der Elongationsfaktor G zum Beispiel setzt mit chemischer Energie eine tiefgreifende Umstrukturierung des Ribosoms in Gang, ähnlich wie Motorproteine in Muskelzellen chemische Energie in mechanische Arbeit verwandeln. Gemeinsam mit der Forschungsgruppe von Prof. Wintermeyer studieren wir diesen Vorgang mit biochemischen und biophysikalischen Methoden. In Kooperation mit der Forschungsgruppe von Prof. Stark versuchen wir, diese Strukturveränderungen am Ribosom mit der Kryo-Elektronenmikroskopie sichtbar zu machen.