Epilog
(aus den Nachrufen von H. Gerischer und W. Jaenicke)
Karl Friedrich Bonhoeffer war eine lebenssprühende, faszinierende Persönlichkeit von vollendeter Liebenswürdigkeit und heiterer Herzlichkeit, von mitreißender Lebendigkeit und köstlichem Humor. Damit fand er Zugang zu seinen Mitmenschen und gewann deren Vertrauen. Aber ebenso schenkte er den anderen sein Vertauen und nahm Anteil an ihrem persönlichen Geschick. Als Angehörige seines Institutes hatten seine Schüler stets das Gefühl, im Schoß einer Familie zu arbeiten, für deren Wohlergehen er mit aller Kraft besorgt war. Mit unübertreffbarer Behutsamkeit und Bescheidenheit lenkte er sie, er entmutigte nicht durch Tadel, sondern ermutigte durch vorsichtige Kritik. Er ließ ihnen weitgehende Freiheit bei der wissenschaftlichen Arbeit, ließ ihnen auch die Freiheit, sich auf Irrwegen zu verlaufen, weil man ja am besten aus seinen Fehlern lernt. Und wenn in den Diskussionen eine neue Idee geboren wurde, so ließ er seine Diskussionspartner stets in dem Glauben, sie hätten die Idee gehabt. Er war der ideale Lehrmeister!
Karl Friedrich Bonhoeffer hat stets sein Pflicht- und Verantwortungsbewusstsein gegenüber der Allgemeinheit und gegenüber seinen Mitmenschen über seine eigenen Interessen gestellt. Die dadurch entstehenden Belastungen, insbesondere während der Nazizeit und der ersten Nachkriegszeit, haben seine Gesundheit nachhaltig geschädigt. Der Stress führte zum Herzinfarkt, dem er 58-jährig im Mai 1957 erlag.
Die von Otto Hahn unterzeichnete Todesanzeige der Max-Planck-Gesellschaft schließt mit den Worten: "Der große Gelehrte war ein charaktervoller Mensch." Dieser nüchterne Satz enthält eine seltene Ehrung. Die wissenschaftlichen Leistungen haben Bonhoeffer bekannt gemacht; aber hervorragende Wissenschaftler gibt es viele, Charaktere wie ihn zu wenig.