Otto-Hahn-Medaille für Göttinger Nachwuchswissenschaftler
Recycling in Nervenzellen
Einen Ball fangen, eine fremde Sprache lernen oder einfach nur atmen – all das können wir nur, weil Milliarden Nervenzellen in unserem Gehirn pausenlos Informationen austauschen. Dafür nutzen sie spezielle Kontaktstellen, die Synapsen. Am Beginn seiner Entwicklung hat unser Gehirn noch weit mehr Synapsen als es später braucht. Wenn das Gehirn reift, werden die überzähligen Kontaktstellen daher nach und nach zerstört. Auch das Gehirn von Erwachsenen baut ständig neue Synapsen auf und ab – nur so können wir uns Erlebtes merken und Neues lernen.
Die Synapsen sind gefüllt mit winzigen Membranbläschen, sogenannten Vesikeln. Mit den in ihnen verpackten Botenstoffe – den Neurotransmittern – kommunizieren Nervenzellen untereinander. Man vermutet, dass Zellen diese Vesikel schnell zerstören, wenn eine Synapse entfernt werden soll. Es ist aber noch weitgehend unklar, wie genau dieser Prozess abläuft.
In ihrer Doktorarbeit hat Beyenech Binotti aufgedeckt, dass das Protein Rab26 hierbei eine besondere Rolle spielt: Rab26 sitzt auf der Oberfläche mancher Vesikel in der Synapse. Wie die Biologin herausfand, kann Rab26 mehrere Vesikel bündeln und sie für die Entsorgung durch ein besonderes Recyclingsystem markieren. Bei diesem Recycling, Autophagie genannt, verdaut die Zelle nicht mehr benötigte zelleigene Bestandteile, um die verschiedenen molekularen Bausteine anderweitig wiederverwerten zu können. „Unsere Ergebnisse deuten erstmals darauf hin, dass auch synaptische Vesikel via Autophagie entsorgt werden – gesteuert durch Rab26“, erläutert Binotti.
Beyenech Binotti studierte Biologie und Zellbiologie an der Universität Bologna (Italien). Für ihre Masterarbeit forschte die Italienierin 2009 am MRC Laboratory of Molecular Biology in Cambridge (Großbritannien). 2010 kam sie als Doktorandin in die Abteilung Neurobiologie von Reinhard Jahn am MPI für biophysikalische Chemie. Seit ihrer Promotion im Jahr 2014 arbeitet sie dort weiter als Postdoktorandin.
Vesikel immer in den Startlöchern
Soll eine Synapse ein Signal zwischen Nervenzellen übertragen, verschmelzen einige der mit Neurotransmitter gefüllten Vesikel mit der Zellmembran und schütten ihren Inhalt aus. Damit dabei keine wertvolle Zeit verloren geht, halten Synapsen stets einige akut freisetzbare Vesikel bereit. Nicht zuletzt aus diesem Grund gehört die Signalübertragung an Synapsen zu den schnellsten zellbiologischen Prozessen überhaupt.
Cordelia Imig wies in ihrer Doktorarbeit mithilfe hochauflösender, dreidimensionaler Elektronenmikroskopie nach, dass akut freisetzbare, fusionsfähige Vesikel eine ganz besondere Eigenschaft haben: Sie stehen bereits lange vor der eigentlichen Verschmelzung eng mit der Zellmembran in Kontakt. Darüber hinaus entschlüsselte Imig mithilfe genetisch veränderter Mäuse den molekularen Mechanismus, über den die Vesikel an die Zellmembran andocken.
Cordelia Imig studierte Biologie an der Universität Marburg, bevor sie in das Master- und Promotionsprogramm der Göttinger International Max Planck Research School für Neurowissenschaften wechselte. Ihre Doktorabeit fertigte sie bei Ben Cooper in der Abteilung Molekulare Neurobiologie von Nils Brose am MPI für Experimentelle Medizin an, wo sie seit 2014 als Postdoktorandin arbeitet.
Startklar für das Kopieren von Genen
Damit Zellen nach der Anleitung der Gene Proteine produzieren können, müssen sie zunächst Kopien dieser Gene erstellen. Dies erledigt eine zelluläre Nanomaschine, die RNA-Polymerase II (Pol II). Welche Gene wann kopiert werden – dies bezeichnet man auch als Expression – regelt die Zelle je nach Bedarf.
Einen wichtigen Beitrag zu dieser Kontrolle leistet ein Proteinkomplex, der als Mediator bezeichnet wird. Er empfängt regulatorische Signale der Zelle und ist daran beteiligt, Pol II auf der DNA für den Kopiervorgang startklar zu machen. Um besser zu verstehen, wie der Mediator-Komplex die Expression von Genen steuert, versuchen Wissenschaftler, seine dreidimensionale Struktur zu entschlüsseln.
Clemens Plaschka konnte in seiner Doktorarbeit im Labor von Patrick Cramer erstmals zwei wichtige Strukturen des Mediators von Hefezellen im Detail bestimmen: Zum einen entschlüsselte er, wie sechs Proteine atomar aufgebaut sind, die den sogenannten „Kopf“ des Mediators bilden. Zum anderen gelang es ihm, den „Kern“ des Mediators an Pol II zu binden und seine Struktur zu analysieren. „Wir konnten unter anderem zeigen, wie genau der Mediator die RNA-Polymerase II und den wichtigen Faktor TFIIB zur DNA lotst“, erläutert Plaschka. „Unsere Ergebnisse erlauben einen tieferen Einblick in die Rolle des Mediators in der Genexpression und liefern ein strukturelles Gerüst für zukünftige Studien.“
Clemens Plaschka studierte Biochemie am Imperial College London (Großbritannien) und forschte während dieser Zeit ein Jahr lang bei dem Pharmaunternehmen Pfizer. 2011 begann er seine Doktorarbeit am Genzentrum der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) bei Patrick Cramer. Als dieser zum Direktor am MPI für biophysikalische Chemie berufen wurde, setzte Plaschka seine Arbeit in dessen Abteilung Molekularbiologie in Göttingen fort. Er promovierte im April 2015 an der LMU. Seit März 2016 forscht er als Postdoktorand am MRC Laboratory of Molecular Biology in Cambridge (Großbritannien). (fk/nb)