Forschung

Ein neues menschliches Leben beginnt damit, dass ein Spermium eine Eizelle befruchtet. Während der Befruchtung vereinigt sich das genetische Material der Mutter und des Vaters, das in Form von Chromosomen gespeichert ist. Eizelle und Spermium unterscheiden sich von allen anderen Zellen unseres Körpers in einem zentralen Punkt: Sie besitzen nur halb so viele Chromosomen. Normalerweise ist jedes Chromosom zweimal vorhanden. Im Gegensatz dazu enthält eine Eizelle nur eines der beiden  Exemplare von jedem mütterlichen Chromosom und das Spermium nur eines der beiden Exemplare von jedem väterlichen Chromosom. Eine Eizelle entwickelt sich aus einer Vorläuferzelle, der Oozyte, die noch zwei Exemplare jedes Chromosoms besitzt. Um ein befruchtungsfähiges Ei zu werden, muss die Oozyte eines der beiden Exemplare entfernen. Dies geschieht einmal pro Menstruationszyklus durch eine spezialisierte Zellteilung, die Meiose. Während der Meiose schleust die Oozyte je eines der beiden Chromosomen-Exemplare aus und entsorgt es in einer kleinen Zelle, dem sogenannten Polkörperchen. Oftmals klappt dies nicht zuverlässig, sodass ein Ei mit falscher Chromosomenzahl entsteht. Ein sich daraus entwickelnder Embryo mit falscher Chromosomenzahl stirbt in den meisten Fällen. Manchmal ist er lebensfähig, entwickelt aber Störungen wie das Down-Syndrom, das durch ein zusätzliches Exemplar des Chromosoms 21 entsteht. Eizellen mit fehlerhaftem Chromosomensatz werden mit zunehmendem Alter der Frau häufiger. Dies bezeichnet man als maternal age effect (auf Deutsch etwa: mütterlicher Alterseffekt). Trotz jahrzehntelanger Forschung wissen wir noch immer eher wenig über die Meiose von Oozyten bei Säugetieren. Insbesondere menschliche Oozyten wurden bisher kaum untersucht. Gleichzeitig werden Fruchtbarkeitsprobleme in unserer Gesellschaft immer wichtiger, auch weil zunehmend mehr Menschen erst später im Leben Nachwuchs bekommen. Um Fruchtbarkeitsprobleme besser behandeln zu können, ist es notwendig, die Mechanismen besser zu verstehen, die einen präzisen Ablauf der Meiose steuern. Außerdem möchten wir die Gründe für Fehler in der Chromosomenverteilung in Oozyten von Säugetieren analysieren. Daher hat die Erforschung von Säugetier-Oozyten mit ihren zahlreichen offenen Fragen und medizinischen Auswirkungen enormes Potential zu wachsen und wird auch künftig ein attraktives Feld sein.

Die Verteilung der Chromosomen ist fehleranfällig

Um herauszufinden, warum Eizellen regelmäßig fehlerhafte Chromosomensätze aufweisen, müssen wir untersuchen, wie Eizellen sich entwickeln. Unser Ziel ist es, zu verstehen, wie die Zelle Chromosomen vorbereitet, um sie in das Polkörperchen zu entsorgen, und wie die Maschinerie funktioniert, die die Chromosomen zwischen Eizelle und Polkörperchen verteilt. Diese Maschinerie nennt sich Spindelapparat und besteht aus Proteinfasern, die die Chromosomen voneinander trennen. Ist der Spindelapparat verändert, kann die Zelle die Chromosomen nicht mehr präzise verteilen. Tatsächlich haben wir entdeckt, dass Chromosomen in menschlichen Oozyten oft unnormal an die Spindelfasern gebunden sind. Dies könnte zur hohen Fehlerrate der Meiose beitragen. Wir untersuchen außerdem, warum die Fruchtbarkeit der Frau mit dem Alter abnimmt. Dabei fanden wir heraus, dass Chromosomen in menschlichen Oozyten nach und nach zerfallen, wenn die Frau älter wird. Dies führt mit zunehmendem Alter der Frau zu immer mehr Fehlern bei der Verteilung der Chromosomen. Dieser Qualitätsverlust in den Oozyten könnte darauf zurück zu führen sein, dass Oozyten so alt sind wie die Frau: Eine 40-jährige Frau hat 40 Jahre alte Oozyten.

Die Meiose mit neuen Werkzeugen analysieren

Um eine solide Basis für unsere zukünftige Forschung zu legen, entwickeln wir neue Werkzeuge, mit denen wir die Meiose in Säugetier-Oozyten untersuchen können. Beispielsweise konnten wir das erste sogenannte high content screening zur Ermittlung von Genen durchführen, die die Meiose in Säugetieren kontrollieren. Des Weiteren haben wir mit Trim-Away eine neue Methode entwickelt, mit der akut endogene Proteine aus Zellen entfernt werden können. Außerdem konnten wir Methoden etablieren, die es uns erstmals erlauben, die Ursachen für Fehler in der Chromosomen-Verteilung in lebenden menschlichen Oozyten direkt zu erforschen. Dies eröffnet unserem Labor ein spannendes neues Forschungsfeld, das wir in Zukunft wesentlich ausbauen wollen.

Weitere Informationen zu unserer Forschung finden Sie auf der englischen Webseite.

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