Neuronale Strukturen in Farbe - Der hochauflösende Blick ins lebende Gehirn

Die Triple-STED-Mikroskopie ermöglicht durch die quasi-gleichzeitige Darstellung von drei unterschiedlichen Proteinen eine hochaufgelöste Abbildung neuronaler Verknüpfungen.

10. Juni 2021

Das Gehirn einer Maus besteht aus fast 100 Millionen Nervenzellen die mit umgebenden Stützzellen dicht zusammengepackt liegen. Um sich in diesem „Gedränge“ zurecht zu finden, werden einzelne Zellen gezielt mit Fluoreszenzfarbstoffen angefärbt, die nach einer entsprechenden Anregung mit Licht selbst Licht aussenden, das mikroskopisch detektiert werden kann. Von besonderem Interesse sind dabei Synapsen, die Kontaktstellen zwischen zwei Nervenzellen, an denen die Informationsübertragung von Zelle zu Zelle stattfindet und die somit die Grundlage unseres Gedächtnisses und jeglicher neuronaler Aktivität formen. Synapsen sind nur wenige zehn, bis einige hundert Nanometer groß und können zwar mit herkömmlicher Lichtmikroskopie lokalisiert werden, ihre genaue Form und Größe kann jedoch nur mit superauflösenden Lichtmikroskopie-Methoden wie der STED-Mikroskopie im lebenden Organismus abgebildet werden. Eine Forschungsgruppe am Göttinger Max-Planck-Institut für Experimentelle Medizin hat nun unter Leitung von Katrin Willig eine Methode entwickelt, um gleichzeitig drei verschiedene Proteinstrukturen mit STED-Mikroskopie im Gehirn einer lebenden Maus abzubilden. Die im Fachmagazin Cell Reports erschienene Studie zeigt, dass sich mit dieser Methode zum Beispiel prä- und postsynaptische Proteinstrukturen mit Superauflösung im Gehirn beobachten lassen.

Durch die Verleihung des Nobelpreises für Chemie 2014 an den Göttinger Physiker Stefan Hell für seine Erfindung der STED-Mikroskopie wurde die superauflösende Lichtmikroskopie weltbekannt und ist inzwischen in Forschungslaboren weltweit verbreitet. Ein Vorteil der STED-Mikroskopie gegenüber anderen superauflösenden Mikroskopietechniken wie PALM/STORM ist, dass nicht nur einzelne Zellen oder dünne Schichten, sondern auch Strukturen in dichtem Gewebe abgebildet werden können. Die Arbeitsgruppe von Katrin Willig hat sich zum Ziel gesetzt, die STED-Mikroskopie für die neurobiologische Forschung und hierbei besonders für die in vivo Mikroskopie an lebenden Organismen weiterzuentwickeln. Die Forschenden haben nun erreicht, dass nicht nur wie bisher eine einzelne Fluoreszenzmarkierung verwendet werden kann, sondern gleichzeitig drei verschiedene Proteinstrukturen in vivo, zum Beispiel in einer Maus, mit unterschiedlich fluoreszierenden Farbstoffen markiert und superauflösend abgebildet werden können. Zwei der Markierungen werden dabei wie in herkömmlichen Fluoreszenzmikroskopen spektral getrennt, d.h. es wird ein grünes Licht emittierender Fluoreszenzfarbstoff mit einem kombiniert, der gelbes Licht emittiert. Für die dritte Markierung verwenden die Forscher einen Fluoreszenzfarbstoff, der im selben gelb/grünen Spektralbereich emittiert, aber bei Bedarf mit Licht an und ausgeschaltet werden kann. Der Schaltvorgang wird durch eine Parallelisierung so beschleunigt, dass alle drei Proteine quasi gleichzeitig dargestellt werden können. Dies ist besonders im lebenden Organismus wichtig, in dem es durch spontane oder induzierte Prozesse ständig zu kleinen Veränderungen kommt.  In der nun publizierten Arbeit haben die Forschenden synaptische Vesikel angefärbt, die besonders zahlreich in der Präsynapse in so genannten synaptischen Boutons vorkommen (Abbildung 1). Zusätzlich wurde die Membran der postsynaptischen Nervenzelle und die postsynaptische Membranverdickung jeweils mit einem Fluoreszenzfarbstoff markiert. Dieses Prinzip kann nun leicht auch auf andere synaptische Proteine oder auch auf Proteine der Stützzellen übertragen werden. In Zukunft soll mit dieser Technik untersucht werden, wie sich Synapsen, zum Beispiel nach Lernvorgängen über die Zeit in Form und Struktur verändern.

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