Eisprung erstmals von Anfang bis Ende gefilmt
Rund 400 Mal im Leben einer Frau schafft eine reife Eizelle den „Sprung“. Sie wird in den Eileiter entlassen und ist nun bereit, mit einer Spermienzelle zu verschmelzen. Forschenden um Melina Schuh, Christopher Thomas und Tabea Lilian Marx vom Max-Planck-Institut (MPI) für Multidisziplinäre Naturwissenschaften ist es jetzt zum ersten Mal gelungen, den gesamten Prozess des Eisprungs in Follikeln einer Maus in Echtzeit sichtbar zu machen. Die von dem Team neu etablierte Lebendzellmikroskopie-Methode ermöglicht es, den Vorgang mit hoher räumlicher und zeitlicher Auflösung zu untersuchen und trägt zu neuen Erkenntnissen in der Fruchtbarkeitsforschung bei.
Der gesamte Vorgang des Eisprungs konnte erstmals in Echtzeit beobachtet werden.
Beim Eisprung lassen sich drei Phasen voneinander unterscheiden.
Der Eisprung selbst wird durch einen äußeren Reiz ausgelöst, alle nachfolgenden Prozesse steuert der Follikel selbst.
Während der fruchtbaren Phase einer Frau reifen pro Menstruationszyklus 15 bis 30 Eizellen in mit Flüssigkeit gefüllten Ausstülpungen, den Follikeln, heran. Dabei werden die Eizellen durch weitere spezialisierte Zellen im Follikel, die sogenannten Kumuluszellen, unterstützt. Doch nur der größte und am besten entwickelte Follikel schafft es bis zum Eisprung. Der Follikel reißt auf und die Eizelle wird in den Eileiter entlassen. Wird sie innerhalb von maximal 24 Stunden nach dem Eisprung erfolgreich von einer Spermienzelle befruchtet, wandert sie weiter zur Gebärmutter, um sich dort einzunisten. Die verbleibenden gereiften Eizellen baut der Körper ab.
Der Eisprung wird durch ein komplexes Zusammenspiel von Hormonen reguliert. Doch wie der eigentliche Vorgang des Eisprungs abläuft, ist noch immer wenig erforscht. Der Eierstock liegt tief im Körperinneren und ist experimentell schwer zugänglich. Der Eisprung findet zudem in einem sehr engen Zeitfenster statt. Und nicht zuletzt lässt sich nicht vorhersagen, welcher der beiden Eierstöcke den nächsten Follikel liefert.
Eisprung in drei Phasen
Dem Forschungsteam ist es nun gelungen, den gesamten Vorgang des Eisprungs an isolierten Eierstockfollikeln aus Mäusen unter dem Mikroskop mit hoher räumlicher und zeitlicher Auflösung live zu verfolgen. „Wir können dabei drei Phasen unterscheiden“, erläutert Max-Planck-Direktorin Melina Schuh, Leiterin der Abteilung Meiose. „Der Follikel dehnt sich aus, zieht sich zusammen und schließlich öffnet sich der Follikel und die Eizelle wird freigesetzt.“
Die erste Phase, die Follikel-Ausdehnung, wird durch das Freisetzen von Hyaluronsäure angetrieben. Unter dem Mikroskop verfolgten die Forschenden, wie sich die Größe und Form der Follikel während dieser Phase ändert. „Während des Eisprungs strömt Flüssigkeit in die Follikel ein, die ihn signifikant wachsen lässt“, berichtet Christopher Thomas, ehemaliger wissenschaftlicher Mitarbeiter in Schuhs Abteilung, nun Gruppenleiter am Institut de Biologie du Développement in Marseille (Frankreich) und Co-Erstautor der im Fachmagazin Nature Cell Biology erschienenen Studie. Hyaluronsäure sei für den nachfolgenden Eisprung unerlässlich, so der Zellbiologe weiter. Blockierten die Wissenschaftler*innen die Produktion von Hyaluronsäure, dehnten sich die Follikel weniger aus und der Eisprung blieb aus.
Muskelzellen für Eisprung unerlässlich
Während der zweiten Phase, der Follikel-Kontraktion, sorgen glatte Muskelzellen in der äußeren Follikelschicht dafür, dass sich der Follikel zusammenzieht. Hemmte das Team die Kontraktion dieser Muskelzellen, zogen sich die Follikel weniger zusammen – mit ebenfalls gravierenden Folgen für die Eizelle. „Auch dann erfolgte kein Eisprung“, sagt Thomas.
„Wenn der Follikel reißt, was in der der dritten Phase passiert, wird die Eizelle freigesetzt und der Eisprung ist damit abgeschlossen“, erklärt Tabea Lilian Marx, ebenfalls Co-Erstautorin der Studie und Doktorandin in der Abteilung Meiose. „Die Oberfläche des Follikels wölbt sich vor und geht schließlich auf, sodass die Follikelflüssigkeit, die Kumuluszellen und als letztes die Eizelle freigesetzt werden“, erzählt die Medizinerin.
Nach dem Eisprung schließt sich der Follikel wieder und bildet den sogenannten Gelbkörper, der das Hormon Progesteron produziert. Dieses Hormon bereitet die Gebärmutter auf das Einnisten eines Embryos vor. Wird die Eizelle nicht befruchtet oder nistet sich die befruchtete Eizelle nicht ein, bildet sich der Gelbkörper nach 14 Tagen zurück. Ein neuer Menstruationszyklus beginnt.
Neue Erkenntnisse für Fruchtbarkeitsforschung
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass der Eisprung ein bemerkenswert robuster Prozess ist. Obwohl ein äußerer Reiz unerlässlich ist, um den Eisprung auszulösen, laufen die nachfolgenden Prozesse unabhängig vom Rest des Eierstocks ab, da alle Informationen im Follikel selbst enthalten sind“, sagt Schuh. „Mit unserer neuen Methode können wir und andere Forschende die Mechanismen des Eisprungs weiter untersuchen und hoffentlich auch für die Fruchtbarkeitsforschung beim Menschen neue Erkenntnisse gewinnen. (cr)
Die Studie wurde gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (SCHU 3047/1-1) und im Rahmen der Exzellenzstrategie (EXC 2067/1 – 390729940) über den Exzellenzcluster „Multiscale Bioimaging: Von molekularen Maschinen zu Netzwerken erregbarer Zellen“ (MBExC), dem Melina Schuh als Mitglied angehört.