Marina Rodnina mit Otto-Warburg-Medaille ausgezeichnet

26. September 2019
Die Gesellschaft für Biochemie und Molekularbiologie (GBM) und Elsevier/Biochimica et Biophysica Acta ehren die Direktorin am Max-Planck-Institut (MPI) für biophysikalische Chemie für ihre innovative Forschung zur Struktur und Funktion von Ribosomen – den Proteinfabriken lebender Zellen. Der Preis wurde der Biochemikerin auf der gemeinsamen Herbsttagung der GBM und der Deutschen Gesellschaft für Zellbiologie am 26. September in Tübingen verliehen.

Proteine sind als „molekulare Arbeiter“ an praktisch allen Vorgängen in lebenden Zellen beteiligt. Das Ribosom stellt ein solches Protein her, indem es streng nach Bauanleitung bestimmte Aminosäuren miteinander zu einer langen Kette verknüpft. Doch erst, wenn diese Aminosäurekette in ihre korrekte dreidimensionale Struktur gefaltet ist, kann das Protein seine Aufgaben verrichten. Fehler bei diesem lebenswichtigen Prozess können fatale Auswirkungen haben: Viele Krankheiten, darunter Alzheimer, Parkinson sowie andere neurodegenerative Erkrankungen und nicht zuletzt Krebs, werden mit fehlerhaften Proteinen in Verbindung gebracht.

„Es gibt noch immer eine große Lücke in unserem Wissen, wie die neu hergestellten Proteine schließlich ihre Funktionsfähigkeit erreichen“, berichtet Preisträgerin Rodnina. „Um neue Therapien gegen neurodegenerative und andere Erkrankungen zu entwickeln, ist es daher entscheidend, dass wir die Arbeit des Ribosoms bis ins kleinste molekulare Detail verstehen.“

In den letzten Jahrzehnten hat Rodnina mit ihrem Team bahnbrechende Methoden entwickelt, um zu untersuchen, wie Proteine hergestellt werden. Ihre Arbeiten haben entscheidende Einblicke geliefert, wie das Ribosom funktioniert und wie es sicherstellt, dass Proteine zur richtigen Zeit am richtigen Ort produziert werden – und das nahezu fehlerfrei. So konnte sie mit ihrer Abteilung Physikalische Biochemie unter anderem entschlüsseln, wie „Störfälle“ in der Proteinfabrik vermieden werden und welche Prozesse am Ribosom für die Qualitätskontrolle sorgen. „Marina Rodnina hat mit ihrer Forschung nicht nur zentrale Prinzipien der Funktionsweise von Ribosomen offengelegt, sondern die gesamte Forschung der Ribosomen revolutioniert“, lobt Annette Beck-Sickinger, Präsidentin der GBM. „Wir freuen uns sehr, eine so engagierte Wissenschaftlerin mit der Otto-Warburg-Medaille auszuzeichnen.“

Eine weitere Motivation, am Ribosom zu arbeiten, ist für Rodnina, dass viele Antibiotika hier ihre Wirkung entfalten. „Die Protein-Produktion läuft in Bakterien und in den Zellen unseres Körpers zwar sehr ähnlich ab, doch es gibt einige wichtige Unterschiede. Diese kann man sich bei Einsatz bestimmter Antibiotika zunutze machen“, erklärt die Max-Planck-Forscherin. „Allerdings entwickeln immer mehr Bakterien Resistenzen gegen herkömmliche Wirkstoffe. Herauszufinden, wie sich die Proteinherstellung in Bakterien und menschlichen Zellen im Detail unterscheiden, wird entscheidend mit dazu beitragen, neue Klassen von Antibiotika zu entwickeln“, so Rodnina.

Über die Preisträgerin

Marina Rodnina hat in Kiew (Ukraine) Biologie studiert und dort 1989 promoviert. Mit einem Stipendium der Alexander von Humboldt Stiftung wechselte sie 1990 an die Universität Witten/Herdecke, wo sie von 1992 bis 1997 als wissenschaftliche Assistentin arbeitete. Nach der Habilitation 1997 wurde sie dort zur Professorin ernannt und hatte von 2000 bis 2009 den Lehrstuhl für Physikalische Biochemie inne. 2008 wurde sie als Direktorin an das MPI für biophysikalische Chemie in Göttingen berufen, wo sie seither die Abteilung Physikalische Biochemie leitet. Sie ist Mitglied der European Molecular Biology Organization (EMBO) und der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina. Für ihre Forschung wurde sie unter anderem mit dem Hans Neurath Award der Protein Society und dem Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft ausgezeichnet.

Über die Otto-Warburg-Medaille

Die Otto-Warburg-Medaille wird bereits seit 1963 vergeben und gilt als höchste deutsche Auszeichnung im Bereich der Biochemie und Molekularbiologie. Unter den bisherigen Preisträgerinnen und Preisträgern ist auch die Max-Planck-Forscherin Emmanuelle Charpentier. Seit 2012 ist das Unternehmen Elsevier gemeinsam mit seiner Fachzeitschriften-Reihe Biochimica et Biophysica Acta exklusiver Kooperationspartner für die Verleihung der Otto-Warburg-Medaille und Sponsor der Auszeichnung. Die Medaille ist mit einem Preisgeld von 25.000 Euro dotiert.

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