ERC Advanced Grants für Stefan Jakobs und Theofanis Kitsopoulos

20. Juni 2019

Im Wettbewerb um Fördergelder des Europäischen Forschungsrats (ERC) haben sich auch zwei Göttinger Wissenschaftler durchgesetzt: Stefan Jakobs, Forschungsgruppenleiter am Max-Planck-Institut (MPI) für biophysikalische Chemie und Professor an der Klinik für Neurologie der Universitätsmedizin Göttingen (UMG), und sein Kollege Theofanis Kitsopoulos, der am MPI und an der Universität Göttingen forscht, erhalten je einen mit rund 2,5 Millionen Euro dotierten ERC Advanced Grant.  

Die Europäische Union zeichnet mit dieser Förderung Spitzenforscherinnen und -forscher aus, die bereits bahnbrechende wissenschaftliche Erfolge erzielt haben und ein neues, vielversprechendes Projekt auf ihrem Gebiet angehen möchten. Stefan Jakobs und Theofanis Kitsopoulos haben sich dabei erfolgreich gegen mehr als 2000 Mitbewerberinnen und Mitbewerber durchgesetzt.

Der Biologe Jakobs wird die Fördermittel einsetzen, um mit seinem Team die Struktur und die Funktion von Mitochondrien, den sogenannten „Kraftwerken der Zelle“, noch genauer zu untersuchen. Mitochondrien sind äußerst komplex aufgebaut: Sie besitzen eine glatte äußere sowie eine stark eingefaltete innere Membran. Letztere ist für die Funktion der Mitochondrien als Energielieferant der Zelle entscheidend. Veränderungen in der inneren Struktur der Mitochondrien können daher fatale Folgen haben. Nerven- und Herzmuskelzellen, die viel Energie benötigen, reagieren besonders empfindlich auf Änderungen ihres Energieniveaus. Erkrankungen des Gehirns wie beispielsweise Alzheimer oder Parkinson aber auch Erkrankungen des Herzens werden unter anderem mit veränderten Mitochondrien in Verbindung gebracht.

„Die Förderung durch den ERC Advanced Grant ist eine große Anerkennung unserer bisherigen Arbeit“, sagt Jakobs. „Sie gibt uns die Chance, zukünftig noch tiefer als bislang möglich in die Biologie der Mitochondrien einzutauchen.“ Mit seiner Forschungsgruppe möchte Jakobs in den nächsten Jahren mithilfe eines hoch interdisziplinären Ansatzes klären, wie die Einstülpungen innerhalb der inneren Mitochondrienmembran entstehen und wie diese Struktur aufrechterhalten wird. Neben molekularbiologischen Methoden und Massenspektrometrie kommen dabei vor allem bildgebende Verfahren wie die Elektronenmikroskopie und die von Chemie-Nobelpreisträger Stefan Hell am MPI für biophysikalische Chemie entwickelte hochauflösende STED- und MINFLUX-Fluoreszenzmikroskopie zum Einsatz. 

Kitsopoulos war mit seinem Antrag zur Grundlagenforschung im Bereich der Reaktionskinetik erfolgreich. Um bei chemischen Reaktionen die Reaktionsgeschwindigkeit zu steigern, werden sogenannte Katalysatoren eingesetzt. „Katalytische Prozesse tragen, direkt oder indirekt, mit 20 bis 30 Prozent zum weltweiten Bruttoinlandsprodukts bei“, erzählt Kitsopoulos. Solche Prozesse besser zu verstehen sei ein wichtiger Bestandteil, um neue nachhaltige Technologien zu entwickeln und vorhandene Techniken zu optimieren.

Ziel des nun bewilligten Forschungsvorhabens ist es, die wichtigsten Faktoren zu charakterisieren, die bestimmen, wie elementare Reaktionen an Oberflächen verlaufen. Darunter fällt zum Beispiel die chemische Struktur des Katalysators und die Geometrie der aktiven Zentren, also den Bereichen, an denen die Reaktionen auf atomarer Ebene ablaufen. 2018 wies Kitsopoulos mit Kohlenstoffmonoxid-Reaktionen auf einer Platin-Oberfläche nach, dass rund 40 Jahre lang traditionelle Experimente zu falschen Interpretationen geführt hatten. Im jetzt geförderten Projekt Kinetics and Dynamics at Surfaces will der Forscher ein Verfahren entwickeln, um die Rate von chemischen Reaktionen an Festkörper-Oberflächen im Mikrosekunden-Bereich zu messen. Mit neuartigen bildgebenden Verfahren werden die Zusammensetzung, Geschwindigkeit und Winkelverteilungen der chemischen Produkte bestimmt, um entscheidende Informationen über die Dynamik und Kinetik katalytischer Oberflächenreaktionen zu erhalten. (jp/cr)


Über die Preisträger

Stefan Jakobs studierte Biologie an der Universität Kaiserslautern und am Institute for Science and Technology der Universität Manchester (Großbritannien). Für seine Promotion forschte er am MPI für Pflanzenzüchtungsforschung in Köln und am John Innes Centre in Norwich (Großbritannien). Nach Abschluss seiner Promotion wechselte er in die Abteilung NanoBiophotonik von Chemie-Nobelpreisträger Stefan Hell an das Göttinger MPI für biophysikalische Chemie. In der Abteilung von Hell war er maßgeblich an der Entwicklung und Etablierung der hochauflösenden STED-Lichtmikroskopie für die Anwendung in der Biologie beteiligt. Seit 2005 leitet er dort die Forschungsgruppe Struktur und Dynamik der Mitochondrien und hat seit 2010 auch eine Professur an der Klinik für Neurologie der UMG inne. 

Theofanis Kitsopoulos promovierte in Chemie an der University of California in Berkeley (USA). Von 1991 bis 1993 forschte er an der Combustion Research Facilityder Sandia National Laboratories in Livermore (USA). Anschließend folgte Kitsopoulos einem Ruf als Professor an das Department of Chemistry der Universität Kreta (Griechenland). Dort war er von 2007 bis 2010 stellvertretender Rektor. Seit 2012 ist Theofanis Kitsopoulos Projektgruppenleiter in der Abteilung Dynamik an Oberflächen am MPI für biophysikalische Chemie und zugleich Gruppenleiter am Institut für Physikalische Chemie der Universität Göttingen. Für seine wissenschaftliche Arbeit wurde er unter anderem mit dem Humboldt Foundation Award (2012) und dem Friedrich von Bessel Award (2004-2005) ausgezeichnet.


Über die ERC Advanced Grants

Die ERC Advanced Grants werden vom ERC seit 2008 vergeben. Bewerben können sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die unabhängige Gruppen leiten und mindestens zehn Jahre exzellenter Forschung vorweisen können. Die Förderquote liegt bei nur etwa zehn Prozent. In der aktuellen, zwölften Wettbewerbsrunde wurden 2052 Anträge eingereicht. Insgesamt bewilligte der ERC davon 222 Anträge mit einem Gesamtbudget von 540 Millionen Euro. Die einzelnen Förderprojekte werden über maximal fünf Jahre mit bis zu 2,5 Millionen Euro unterstützt.

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