Rund elf Tonnen für Präzision und Hochauflösung

19. Februar 2015
Die Göttinger Strukturbiologen Christian Griesinger und Markus Zweckstetter haben zwei neue Kernspinresonanz (NMR)-Spektrometer erhalten, um ihre Methoden-entwicklung in der NMR weiter voranzutreiben und diese auf Membranproteine und neurodegenerative Erkrankungen anzuwenden. Ein 100-Tonnen-Kran und zwei Sattelschlepper mit Ausrüstung waren nötig, um das 800 MHz- und 950 MHz-NMR-Spektrometer unversehrt in der NMR-Halle am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie (MPI-BPC) aufzustellen. Das größere der beiden Geräte hat eine Leistung von 22,3 Tesla und ist damit weltweit das zweitstärkste dieser Art. Damit eröffnen sich verbesserte Möglichkeiten, um mithilfe eines starken Magnetfeldes Biomoleküle in atomarer Auflösung zu untersuchen. Dieses NMR-Spektrometer wurde gemeinschaftlich von der Max-Planck-Gesellschaft und dem MPI-BPC angeschafft sowie auf Antrag der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) vom Land Niedersachsen und vom Bund nach einer Empfehlung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft mitfinanziert. Das 800 MHz-NMR-Spektrometer ist eine gemeinsame Anschaffung des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) und des MPI-BPC. 

Um Punkt 13 Uhr hängt das 6,7 Tonnen schwere 950 MHz-NMR-Spektrometer am Kran. Geschickt setzt der Kranführer das Gerät nach nur wenigen Minuten vor dem großen Tor der NMR-Halle am MPI-BPC ab. Denselben Weg legt auch das 800 MHz-Spektrometer mit einem Gewicht von vier Tonnen zurück. Die 590 Quadratmeter große NMR-Halle ist Teil der Abteilung NMR-basierte Strukturbiologie von Christian Griesinger, einer der weltweit führenden Experten in der Entwicklung von Methoden für die NMR-Spektroskopie und deren Anwendung auf biologische Probleme.

„Das 950 MHz-NMR-Spektrometer erlaubt durch seine hohe Magnetfeldstärke von 22,3 Tesla eine enorme Steigerung der Messempfindlichkeit und somit die Erforschung medizinisch hochrelevanter Themen“, erläutert Christian Griesinger. Mit dem neuen Hochleistungs-NMR-Spektrometer möchten Griesinger und Zweckstetter mit ihren Teams zukünftig vor allem Membranproteine untersuchen. Als „Arbeiter“ erfüllen Membranproteine in der Zelle lebenswichtige Aufgaben, beispielsweise die Weiterleitung von Signalen oder den Transport von Stoffen. Defekte solcher Membranproteine führen zu vielen bekannten Erkrankungen des Menschen. Sie sind daher Angriffsziele für eine große Zahl an pharmakologisch und toxikologisch wirksamen Substanzen.

„Wir möchten die Struktur und Dynamik verschiedener Membranproteine in atomarer Auflösung untersuchen. Daneben wird ein weiterer Schwerpunkt sein, therapeutische und diagnostische Bindungspartner von Membranproteinen genauer zu analysieren, um zu verstehen, wie sie wirken“, so Markus Zweckstetter, Gruppenleiter am DZNE und MPI-BPC sowie Professor an der Universitätsmedizin Göttingen. Die dafür benötigten kostspieligen Probenköpfe für das NMR-Gerät konnte Zweckstetter aus Mitteln eines ERC-Grants finanzieren. Er ergänzt: „Das 800 MHz NMR-Spektrometer ist speziell angeschafft worden, um unsere Forschung im Bereich neurodegenerativer Erkrankungen wie der Alzheimer- und Parkinson-Erkrankung zu verstärken, die durch Christian Griesingers und unser Team seit mehr als zehn Jahren erforscht werden. Dabei untersuchen wir insbesondere, wie krankhafte Proteinablagerungen im Gehirn älterer Menschen entstehen und wie man diese verhindern kann.“ 

210 Kilometer supraleitender Draht

Bis beide Geräte für die Forschung einsatzbereit sind, werden allerdings noch rund sechs bis acht Wochen vergehen. Die NMR-Spektrometer werden jetzt zunächst mit flüssigem Stickstoff vorgekühlt. Dann wird die „Thermoskanne“ im Inneren des NMR-Geräts mit Helium gefüllt und auf die Endtemperatur von minus 271°C gebracht. Diese tiefe Temperatur ist notwendig, damit die supraleitende Magnetspule des NMR-Spektrometers die hohe Stromdichte und Stromstärke aufrecht halten kann. Nur dann bleibt das Magnetfeld, das für die NMR-Messungen zwingend benötigt wird, stabil. Zum Schluss wird die aus rund 210 Kilometern supraleitendem Draht bestehende Magnetspule geladen.

Die beiden neuen NMR-Geräte werden auch einen wichtigen Beitrag zur Forschung im Bereich der Strukturbiologie am Göttingen Campus leisten. So wird das 950 MHz-NMR-Spektrometer Mitgliedern des Zentrums „Mikroskopie im Nanometerbereich und Molekularphysiologie des Gehirns“ (CNMPB) in Göttingen zur Verfügung stehen. „Auch eine neu eingerichtete Forschungsgruppe am ‚Institute for Biostructural Imaging of Neurodegeneration’ der UMG wird das Gerät für NMR-Messungen nutzen können“, sagte Sebastian Freytag, Vorstand Wirtschaftsführung und Administration der Universitätsmedizin Göttingen. (cr)

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