Lipidfibrillen: Ein neuer Baustein zum Verständnis von Alzheimer
Lipide spielen bei der Entstehung der Alzheimerschen Demenz eine wichtige Rolle. Genaueres über diesen Prozess war jedoch bisher nicht bekannt. Ein Team von Wissenschaftler*innen aus Göttingen, Jülich und Düsseldorf hat nun zum ersten Mal atomare Strukturen der Lipid-Fibrillen-Komplexe bestimmt. Dabei fanden sie völlig neuartige Fibrillenstrukturen, wie sie in der Fachzeitschrift Nature Communications berichten.
Das Peptid Beta-Amyloid spielt eine zentrale Rolle bei der Alzheimerschen Demenz. Dabei bilden sich im erkrankten Hirn Ablagerungen aus Fibrillen: faserartige Strukturen, die aus dem Peptid bestehen. Es ist bereits länger bekannt, dass bei der Entstehung dieser Beta-Amyloid-Ablagerungen auch Lipide und Lipidmembranen eine wichtige Rolle spielen müssen. Nicht bekannt war, wie genau Lipide mit Beta-Amyloid-Fibrillen wechselwirken.
Wissenschaftliches Ergebnis
Zum Einsatz kam die Kryo-Elektronenmikroskopie (Kryo-EM), eine Form der Transmissionselektronenmikroskopie, bei der biologische Proben bei sehr tiefen Temperaturen untersucht werden. Mithilfe dieser Technik in Kombination mit NMR-Spektroskopie und molekularem Modellieren konnten die Wissenschaftler*innen nun erstmals zeigen, wie Lipide an die Beta-Amyloid-Fibrillen binden und in die Fibrillenbildung eingreifen.
Durch die Kryo-EM werden die Strukturen der Fibrillen-Lipid-Komplexe mit atomarer Auflösung sichtbar. Dies liefert wichtige Einblicke in die Grundlagen und Entstehung der Alzheimerschen Demenz. Das Team aus dem Forschungszentrum Jülich, dem Max-Planck-Institut (MPI) für Multidisziplinäre Naturwissenschaften und der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) fand darüber hinaus auch mehrere neue Fibrillenstrukturen, welche allein durch die Bindung an die Lipide stabil sind.
Gesellschaftliche und wissenschaftliche Relevanz
Diese neuen Erkenntnisse liefern wichtige Erklärungen zur Entstehung der Alzheimerschen Demenz. Durch sie lässt sich nun besser verstehen, wie Lipide an die Fibrillen binden und wie sie die Bildung von Fibrillen beeinflussen. „Offensichtlich können die Fibrillen eine große Menge an Lipiden aufnehmen“, erklärt Gunnar Schröder vom Jülicher Institut für Biologische Informationsprozesse und der HHU, einer der Korrespondenzautoren der Studie. „Das könnte eine häufig beschriebene Theorie zur Toxizität der Beta-Amyloid-Aggregation unterstützen, dass die Fibrillenbildung Lipidmembranen zerstört und damit die Nervenzellen schädigt“, erläutert Max-Planck-Gruppenleiter Loren Andreas.
„Obwohl unsere Strukturen im Reagenzglas erzeugt wurden“, so Gunnar Schröder, „könnten sie Hinweise darauf liefern, wie die Beta-Amyloid-Peptide mit der Lipidmembran wechselwirken. Für die Entwicklung von Wirkstoffen gegen Alzheimer ist dieses Wissen ein weiterer wichtiger Baustein.“
Weitere Details
Für ihre Messungen verwendeten die Forschenden NMR-Spektroskopie und Kryo-Elektronenmikroskopie. „Die Herstellung des Beta-Amyloid-Peptids mit höchster Reinheit für die Kryo-EM und die NMR-Spektroskopie bedurfte jahrelanger Entwicklungsarbeit“, sagt Stefan Becker vom MPI. Bei der Kryo-EM-Methode werden biologische Proben ultraschnell schockgefroren und so in einen amorphen, glasartigen Zustand versetzt: Vorhandenes Wasser erstarrt zu amorphem Eis, wodurch sich komplexe Proteinstrukturen analysieren lassen. Die daraus erhaltenen Daten wurden am MPI für Multidisziplinäre Naturwissenschaften in Göttingen aufgenommen. (rp)
Nach einer Pressemitteilung des Forschungszentrums Jülich
Diese Studie wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen der Exzellenzstrategie (EXC 2067/1 – 390729940) über den Exzellenzclusters Multiscale Bioimaging (MBExC) und des Emmy-Noether-Programms (Projektnummer: 397022504) unterstützt.