Licht ins Dunkel der Fotosynthese: 3D-Einblicke in Kopiermaschine von Chloroplasten
Für das Leben auf der Erde ist es unerlässlich, dass Pflanzen Fotosynthese betreiben und mithilfe von Sonnenlicht schließlich Sauerstoff und chemische Energie produzieren. Forschenden aus Göttingen und Hannover gelang nun erstmals, die Kopiermaschine von Chloroplasten, die RNA-Polymerase PEP, hochaufgelöst in 3D sichtbar zu machen. Die detaillierte Struktur bietet neue Einblicke in die Funktion und Evolution dieser komplexen zellulären Maschine, die eine Hauptrolle beim Ablesen der genetischen Bauanleitungen von Fotosynthese-Proteinen spielt.
Ein molekularer 3D-Schnappschuss der Kopiermaschine in Chloroplasten, die RNA-Polymerase PEP, liefert neue Einblicke in die Evolution und Funktion der pflanzlichen Fotosynthese.
Mithilfe eines Kryo-Elektronenmikroskops gelang die hochaufgelöste Aufnahme eines 19-teiligen PEP-Komplexes aus Weißem Senf (Sinapis alba).
Evolutionäre Analysen deuten auf eine ähnliche Architektur der PEP bei allen Landpflanzen hin.
Ohne Fotosynthese gäbe es keine Luft zum Atmen – sie ist die Grundlage allen Lebens auf der Erde. Durch diesen komplexen Prozess können Pflanzen Kohlenstoffdioxid und Wasser mittels Lichtenergie der Sonne in chemische Energie und Sauerstoff umwandeln. Die Umwandlung geschieht in den Chloroplasten, dem Herzstück der Fotosynthese. Chloroplasten entstanden im Laufe der Evolution, als Vorgänger der heutigen Pflanzenzellen ein fotosynthetisches Cyanobakterium in sich aufnahmen. Mit der Zeit wurde das Bakterium immer abhängiger von seiner „Wirtszelle“, behielt aber einige wichtige Funktionen wie die Fotosynthese sowie Teile des bakteriellen Genoms bei. Der Chloroplast besitzt daher noch eigene DNA, in der unter anderem die Baupläne für wichtige Proteine der „Fotosynthese-Maschinerie“ gespeichert sind.
Mit PEP zu Energie
„Eine einzigartige molekulare Kopiermaschine, eine RNA-Polymerase namens PEP, liest die genetischen Anweisungen vom Erbgut der Chloroplasten ab“, erklärt Hauke Hillen, Forschungsgruppenleiter am Max-Planck-Institut (MPI) für Multidisziplinäre Naturwissenschaften, Professor an der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) sowie Mitglied des Göttinger Exzellenzclusters „Multiscale Bioimaging“ (MBExC). Sie sei insbesondere unentbehrlich, um die für die Fotosynthese benötigten Gene zu aktivieren, betont Hillen. Ohne funktionierende PEP können Pflanzen keine Fotosynthese betreiben und bleiben weiß anstatt grün zu werden.
Nicht nur der Kopiervorgang ist komplex, sondern auch die Kopiermaschine selbst: Sie besteht aus einem mehrteiligen Basis-Komplex, dessen Protein-Untereinheiten im Chloroplasten-Genom kodiert sind, sowie mindestens zwölf angelagerten Proteinen, PAPs genannt. Für diese steuert das Kern-Genom der Pflanzenzelle die Baupläne bei. „Bislang konnten wir zwar ein paar wenige Einzelteile der Chloroplasten-Kopiermaschine strukturell und biochemisch charakterisieren, aber ein präziser Einblick in ihre Gesamtstruktur und die Funktionen der einzelnen PAPs fehlte“, erläutert Thomas Pfannschmidt, Professor an der Leibniz Universität Hannover.
Detaillierter Schnappschuss in 3D
In enger Zusammenarbeit gelang es Forschenden um Hauke Hillen und Thomas Pfannschmidt nun erstmals, einen 19-teiligen PEP-Komplex mit einer Auflösung von 3,5 Ångström – 35 Millionen Mal kleiner als ein Millimeter – in 3D sichtbar zu machen.
„Wir haben hierfür intakte PEP aus Weißem Senf, einer typischen Modellpflanze in der Pflanzenforschung, isoliert“, erzählt Frederik Ahrens, Teammitglied in Pfannschmidts Gruppe und einer der Erstautor*innen der jetzt im Fachjournal Molecular Cell veröffentlichten Studie. Mithilfe der Kryo-Elektronenmikroskopie erstellten die Wissenschaftler*innen dann ein detailliertes 3D-Modell des 19-teiligen PEP-Komplexes. Dafür wurden die Proben ultraschnell schockgefroren. Tausendfach und bis auf Atomebene fotografierten die Forschenden anschließend die Kopiermaschine aus unterschiedlichsten Winkeln und fügten sie mittels komplizierter Computerberechnungen zu einem Gesamtbild zusammen.
„Der strukturelle Schnappschuss zeigte, dass zwar der PEP-Kern denen anderer RNA-Polymerasen, wie etwa in Bakterien oder im Zellkern höherer Zellen, ähnelt. Aber er enthält Chloroplasten-spezifische Merkmale, die die Wechselwirkungen mit den PAPs vermitteln. Letztere finden sich nur in Pflanzen und sie sind in ihrer Struktur einzigartig“, sagt Paula Favoretti Vital do Prado, Doktorandin am MPI, Mitglied des Hertha Sponer College am MBExC und ebenfalls Erstautorin der Studie.
Forschende hatten bereits angenommen, dass die PAPs individuelle Funktionen beim Ablesen der Fotosynthese-Gene erfüllen. „Wie wir zeigen konnten, ordnen sich die Proteine in besonderer Weise um den RNA-Polymerase-Kern an. Anhand ihrer Struktur lässt sich vermuten, dass die PAPs auf unterschiedlichste Art mit dem Basis-Komplex wechselwirken und beim Ableseprozess der Gene mitwirken“, ergänzt Hillen.
Evolution der Fotosynthese verstehen
Die Forschungskollaboration ging mittels Datenbanken auch auf evolutionäre Spurensuche. Sie wollte herausfinden, ob sich die beobachtete Architektur der Kopiermaschine auf andere Pflanzen übertragen lässt. „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Struktur des PEP-Komplexes in allen Landpflanzen gleich ist“, so Pfannschmidt.
Die neuen Erkenntnisse zum Kopiervorgang der Chloroplasten-DNA tragen dazu bei, grundlegende Mechanismen der Biogenese der Fotosynthese-Maschinerie besser zu verstehen. Sie könnten sich möglicherweise zukünftig auch biotechnologisch nutzen lassen. (cb)
(Gemeinsame Pressemitteilung mit der Leibniz Universität Hannover)
Die Studie wurde gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (FOR2848, SFB1565, PF323-7 und SPP 2237 MadLand (PF323-9)) und im Rahmen der Exzellenzstrategie (EXC 2067/1 – 390729940) über den Exzellenzcluster „Multiscale Bioimaging: Von molekularen Maschinen zu Netzwerken erregbarer Zellen“ (MBExC) sowie durch den European Research Council (ERC) im Rahmen des EU-Programms Horizon 2020 mit dem ERC Starting Grant MitoRNA (Grant agreement no. 101116869).