Weltweit schnellstes Elektronenmikroskop filmt Lichtschwingungen durch Quanteninterferenz

16. Februar 2024

Ein Forschungsteam aus Göttingen und Barcelona (Spanien) hat die quantenmechanische Interferenz von Elektronen genutzt, um Lichtfeldschwingungen in einer Nanostruktur sichtbar zu machen. Grundlage des Experiments ist ein in der Gruppe um Claus Ropers am Max-Planck-Institut (MPI) für Multidisziplinäre Naturwissenschaften und an der Universität Göttingen entwickeltes Attosekunden-Elektronenmikroskop, das die Wechselwirkung von Materie und Licht im Nanokosmos erschließt.

Licht besteht aus unfassbar schnell schwingenden elektrischen und magnetischen Feldern. Unsere Augen und digitale Kameras nehmen jedoch lediglich die Helligkeit und Farbe des Lichts wahr, also die Amplitude und Frequenz der Welle. Für viele Phänomene in der Natur und Technik kommt es jedoch auf die Lichtausbreitung und Streuung auf der mikroskopischen Skala weit unterhalb der Wellenlänge an. Diese Vorgänge finden im Bereich von Attosekunden, das sind Milliardstel einer Milliardstel Sekunde, statt. Der Physik-Nobelpreis 2023 wurde unter anderem für Techniken der Attosekundenphysik verliehen. Mit diesen lässt sich untersuchen, wie im Wechsel von Wellenberg und Wellental die Ladungen in Atomen und Molekülen durch Licht in Schwingung versetzt werden.

Bisher mangelt es allerdings an Methoden, die diese Konzepte mit einer hohen räumlichen Auflösung verbinden, um Prozesse zusätzlich auf atomaren Längenskalen abzubilden. Forschenden um Claus Ropers ist es nun gelungen, quantenmechanische Effekte auszunutzen, um genaue Filme der Lichtfelder an einer nanoskopischen Struktur aufzunehmen. Dazu kooperierte das Team mit Javier García de Abajo, Professor am Institut für Photonische Wissenschaften in Barcelona.

Elektronen, die in einem Elektronenmikroskop durch ein Lichtfeld fliegen, werden abgelenkt und ändern ihre Geschwindigkeit. Aufgrund der Quantenmechanik besteht allerdings eine „Unschärfe“, ob das Elektron beschleunigt oder verzögert wird. So entsteht eine komplexe Überlagerung aus verschiedenen Geschwindigkeiten – ein Quantenzustand. Wissenschaftler*innen der Abteilung Ultraschnelle Dynamik haben nun einen neuen Weg gefunden, die gesamte in diesem Quantenzustand gespeicherte Intensitäts- und Zeitinformation auszulesen, und so das Lichtfeld präzise zu vermessen.

Dies zeigte John Gaida, Doktorand am MPI, indem er die Schwingungen an einer nur 100 Nanometer großen Goldstruktur „filmte“. Da die Struktur viel kleiner als die Wellenlänge des eingestrahlten Laserlichts ist, kommt es bei bestimmten Lichtfrequenzen zu Resonanzen, die stark von der Geometrie der Nanostruktur beeinflusst werden. Im Experiment wird der Elektronenstrahl Nanometer für Nanometer über die Probe gerastert, um an jeder Position das Lichtfeld mit hoher Genauigkeit auszulesen.

„Um die Zeitauflösung im Attosekundenbereich zu erreichen, übertragen wir eine Technik aus der Elektronik und Laseroptik auf Elektronenstrahlen. Durch die kontrollierte Mischung des Signals mit einer Referenz erzeugen wir ein Interferenzmuster, das die Lichtschwingung kodiert“, erklärt Gaida, Erstautor der jetzt in der Fachzeitschrift Nature Photonics veröffentlichten Studie.

„Das entwickelte Instrument kann man als Oszilloskop für optische Frequenzen verstehen, mit einem Tastkopf in der Größe eines Nanometers“, erläutert Ropers. „Wir haben damit ein Präzisionsmikroskop geschaffen, um Quantenzustände auf der Nanometerskala zu bestimmen. Dies eröffnet uns neben der Vermessung elektromagnetischer Felder einen Zugang zu vielfältigen ultraschnellen Prozessen im Nanokosmos.“ (jhg)


Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) förderte die hier vorgestellte Arbeit im Rahmen des DFG-Sonderforschungsbereichs 1456 „Mathematics of Experiment“

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