Forschung in billiardstel Sekunden
Die Abteilung Ultraschnelle Dynamik von Claus Ropers untersucht mit innovativen Methoden elektronische, strukturelle und magnetische Vorgänge in Festkörpern, Nanostrukturen und auf Oberflächen. Abwechslung in den Laboralltag bringt das Team mit vielfältigen Unternehmungen und kreativen Ideen.
Wie in einem Science-Fiction-Film kommt man sich vor, wenn man die Laserlabore der Abteilung Ultraschnelle Dynamik betritt. Im Raum steht ein langer Tisch, auf dem sich kleine Blenden, Spiegel und Linsen drängen – ein sogenannter optischer Tisch. Direkt daneben thront ein zweieinhalb Meter hohes Elektronenmikroskop. Dann geht das Licht aus und alle Anwesenden setzen ihre Schutzbrillen auf; das Experiment beginnt. Doktorandin Germaine Arend und Masterstudentin Jasmin Salome Kappert schalten einen Laser ein, dessen Strahl sich einen von den Physikerinnen vorher festgelegten Weg über den optischen Tisch in das Elektronenmikroskop bahnt.
Gemeinsam mit anderen Teammitgliedern erforschen die Wissenschaftler*innen um Ropers ganz neue Möglichkeiten für die Elektronenmikroskopie. Zurzeit arbeiten sie daran, Elektronenstrahlen gezielt mit Licht zu beeinflussen und präzise zu charakterisieren. Die Abteilung schlägt damit insbesondere eine Brücke zwischen Elektronenmikroskopie und Quantentechnologien. Ziel dabei sind unter anderem neuartige Messmethoden für den Nanokosmos, mit drastisch verbesserter Empfindlichkeit und Auflösung.
In anderen Experimenten erhitzen kurze Laserblitze die Oberfläche eines Festkörpers gezielt, sodass sich deren atomare Struktur schlagartig umbaut. In leicht versetzten Zeitabständen feuern Elektronenblitze auf dieselbe Stelle und machen damit den ablaufenden Prozess für die Forschenden sichtbar.
Ultraschnelle und ultrakleine Vorgänge
Mit diesen Versuchen untersuchen die Wissenschaftler*innen, wie sich Festkörper und Oberflächen verhalten, wenn sie aus dem Gleichgewicht gebracht werden. Denn die Prozesse, die für Eigenschaften und Funktionen eines Materials wichtig sind, zeigen sich nicht im Ruhezustand, sondern erst, wenn man eine Störung oder Reaktion hervorruft. Die besondere Schwierigkeit dabei: Die entsprechenden Vorgänge geschehen in billiardstel Sekunden und auf milliardstel Metern.
Deshalb liegt ein Hauptaugenmerk der Forschenden darauf, neue experimentelle Techniken wie ultraschnelle bildgebende Verfahren zu entwickeln und anzuwenden. Diese sollen dynamische Prozesse auf ihren natürlichen Längen- und Zeitskalen erfassen. „Mit den Elektronenblitzen können wir zum Beispiel Schnappschüsse von sehr schnell ablaufenden Vorgängen machen, die wir mit Strom- oder Laserpulsen in einer untersuchten Probe auslösen“, erklärt Ropers. „Aus der Kombination vieler dieser Aufnahmen gewinnen wir hochaufgelöste Filme in Superzeitlupe, die uns ein genaues Verständnis der ablaufenden Prozesse liefern.“
Präziser, schneller, besser
Besonders beim Abbilden ultraschneller Zustandsänderungen erzielten die Forschenden mit verschiedenen Methoden große Fortschritte. Doktorand Till Domröse beschreibt ein Beispiel: „Im ultraschnellen Elektronenmikroskop haben wir zum ersten Mal gefilmt, wie sich ein Isolator zu einem Metall umwandelt, und das mit einer räumlichen Auflösung von Nanometern und einer Belichtungszeit von Femtosekunden, also dem Millionstel einer milliardstel Sekunde.“ In einem anderen Experiment gelang es dem Team, mit extrem ultravioletten Laserpulsen magnetische Schaltprozesse in hoher räumlicher und zeitlicher Präzision abzubilden. Solche Prozesse könnten in zukünftigen digitalen Speichern wie Festplatten Anwendung finden.
Grundlagen für zukünftige Technologien
Informationstechnologien und Energie sind allgegenwärtige Themen in der öffentlichen Diskussion. Für beide Bereiche bedarf es ständiger optimierter Lösungen – diese liefert auch die Grundlagenforschung in Ropers Abteilung. „Unsere Arbeit befasst sich mit elementaren Schritten der Energieumwandlung auf der Nanometerskala, in Nanostrukturen und an Oberflächen“, berichtet Armin Feist, Projektleiter in der Gruppe. Dabei ginge es zunächst um die Grundlagen und das Verständnis mikroskopischer Vorgänge. Langfristig könnten daraus aber neue Ansätze und alternative Konzepte für effizientere Umwandlungsprozesse entstehen.
„Bei den funktionellen Materialien, die wir erforschen, versuchen wir, die physikalischen und chemischen Eigenschaften eines Stoffes gezielt und innerhalb kürzester Zeit dramatisch zu verändern“, ergänzt sein Kollege Murat Sivis, ebenfalls Projektleiter in der Abteilung. Auch bei diesen Vorgängen sind für die fernere Zukunft vielfältige Anwendungen denkbar, beispielsweise für die Entwicklung „intelligenter“ Nanoelektronik, wie Nanosensoren oder -chips.
Camping, Zauberei und Quizshows
Um ihre wissenschaftlichen Erfolge, aber auch Auszeichnungen, Publikationen oder Geburtstage gebührend zu feiern, finden die Forschenden der Abteilung immer wieder neue Wege. Dann gehen sie gemeinsam essen, organisieren Grillabende oder machen Ausflüge. So veranstaltete das Team vor der Pandemie regelmäßig kurze Campingtouren, die sie in diesem Jahr endlich wieder aufnehmen wollen.
Bei den Feierlichkeiten lässt das Team seiner Kreativität freien Lauf und gestaltet einzigartige Erinnerungsstücke. So befindet sich im Büro von Direktor Claus Ropers unter anderem eine Tafel mit magischen Spielkarten, auf denen sich Gruppenmitglieder mit ihren jeweiligen „Zauberkräften“ vorstellen. Zu einem anderen Anlass entstand eine auf ihre Arbeit maßgeschneiderte Monopoly-Variante – Nanopoly. Ein weiteres Highlight der Abteilungsgeschichte fand erst kürzlich bei einem Grillabend statt. Ropers musste sich im Rahmen des Spiels Wer wird Snack-Bär?! den bohrenden Quizfragen eines Günther Lauch stellen. „Das war eine richtig witzige Aktion! Unser Quizmaster trug dabei eine Lauch-Faschingsmütze“, berichtet Doktorand Felix Kurtz schmunzelnd. „Und der Chef hat sich ganz ordentlich geschlagen bei den Fragen zum Laboralltag.“
Zukünftige Nachbar*innen
Noch trifft man die rund 25 Mitglieder der Abteilung Ultraschnelle Dynamik eher selten in den Gebäuden unseres Instituts an. Das liegt daran, dass ihre Räumlichkeiten im zukünftigen Turm 7 auf dem Faßberg-Campus erst noch gebaut werden müssen. Bis dahin forschen sie weiter in den Büros und Laserlaboren des IV. Physikalischen Instituts der Universität Göttingen.