Gründungsfeier des Max-Planck-Instituts für Multidisziplinäre Naturwissenschaften
Zum 1. Januar 2022 haben sich die ehemaligen Max-Planck-Institute (MPI) für biophysikalische Chemie und für Experimentelle Medizin in Göttingen zum MPI für Multidisziplinäre Naturwissenschaften zusammengeschlossen. Am vergangenen Freitag feierte das Institut nun die Neugründung mit hochrangigen Gästen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft.
Der Festakt am neuen MPI für Multidisziplinäre Naturwissenschaften (MPI-NAT) versammelte rund 300 Gäste im Manfred-Eigen-Saal am Faßberg-Campus. Wohin das Institut in den nächsten Jahren steuert, umriss der Geschäftsführende Direktor Patrick Cramer bei seiner Begrüßung: „Die großen Fragen bleiben dieselben, aber wir suchen neue Antworten. Unser Auftrag bleibt auch derselbe: neues Wissen zu schaffen, zum Wohle aller. Diesen Auftrag können wir nur gemeinsam erfüllen, in vertrauensvoller Zusammenarbeit mit der Landes- und Bundespolitik und mit unseren Partnern vor Ort: der Universität, der Universitätsmedizin, den anderen Instituten, der Stadt und der lokalen Wirtschaft.“ Er zeigte sich überzeugt davon, dass an der Spitze der Forschung nur bleibe, wer sich bewegt. In Göttingen seien viele als solche „Beweger der Wissenschaft“ aktiv.
Cramer dankte zudem allen, die die Gründung des neuen Instituts möglich machten: Initiator Stefan Hell, seinen Vorgängern im Amt des Geschäftsführenden Direktors, Marina Rodnina und Nils Brose, sowie MPI-NAT-Verwaltungsleiter Detlef Steinmann. Seine Rede schloss er mit einer Erinnerung an die Gründungsväter der beiden Vorgängerinstitute, Karl-Friedrich Bonhoeffer, Karl Thomas und Nobelpreisträger Manfred Eigen: „Wir blicken dankbar auf das, was sie und andere visionäre Menschen vor uns geleistet haben, um ein Fundament zu legen für heutiges und zukünftiges Wirken.“
Das MPI-NAT vereint ausgewählte Forschungs- und Zukunftsthemen aus den Natur- und Medizinwissenschaften unter einem Dach, um die drängendsten naturwissenschaftlichen Fragen des 21. Jahrhunderts zu beantworten. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil sieht im neuen MPI für Multidisziplinäre Naturwissenschaften „einen weiteren wissenschaftlichen Leuchtturm in Göttingen, der auch auf den gesamten Wissenschaftsstandort Niedersachsen ausstrahlt. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit und das Netzwerk des ‚Göttingen Campus‘ bieten beste Voraussetzungen, um auch künftig die besten Köpfe nach Göttingen zu holen und exzellente Forschungsergebnisse zu erzielen – auch das Land hat viel investiert, um den Standort zu unterstützen. Ich bin mir sicher, dass wir vom Max-Planck-Institut für Multidisziplinäre Naturwissenschaften noch viel hören werden!“
Björn Thümler, niedersächsischer Minister für Wissenschaft und Kultur, hält das Versammeln unterschiedlicher naturwissenschaftlicher Disziplinen und die daraus entstehenden Möglichkeiten für eine große Chance: „Ich bin überzeugt, dass die Strategie der Verschmelzung von Forschungsthemen im neuen Institut für Multidisziplinäre Naturwissenschaften die richtige ist. Mit diesem Institut, das moderne Naturwissenschaften und medizinische Grundlagenforschung verbindet, erfolgt eine weitere Aufwertung der Forschungslandschaft. Denn mit den herausragenden Forschungsbedingungen in Göttingen, den Möglichkeiten mit der Nähe zur Uniklinik und der breitgefassten Ausrichtung ist das Institut gerade für internationale und renommierte Spitzenwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler attraktiv.“
Mit insgesamt 16 Abteilungen, rund 25 Forschungsgruppen und über 1.000 Mitarbeitenden ist das MPI-NAT das größte Institut in der Max-Planck-Gesellschaft (MPG). Asifa Akhtar, Vize-Präsidentin der Gesellschaft, sagte in ihrem Grußwort, dass es nur passend sei, in Göttingen ein solches Institut zu gründen: „Göttingen ist einer der zentralen Standorte der Max-Planck-Gesellschaft. Hier wurde die MPG im Jahr 1948 gegründet. Das MPI für Multidisziplinäre Naturwissenschaften wird mehr sein als die Summe seiner Teile. Es wird sich in der MPG durch seine wissenschaftliche Breite und Tiefe auszeichnen.“
Die besondere Rolle der Wissenschaft für die Stadt Göttingen hob Oberbürgermeisterin Petra Broistedt hervor: „Es gibt nicht den einen Faktor, der Göttingen zu einem Magneten für die Wissenschaft macht. Es ist das Zusammenspiel vieler Faktoren. Zudem ist es auch unser Selbstbild: Der Wissenschaftsbetrieb ist ein selbstverständlicher Bestandteil dieser Stadt. Wir sind sehr stolz auf die Dichte der Max-Planck-Institute in Göttingen und darauf, dass Niedersachsen zu einem so renommierten MPI-Standort geworden ist. Die Forschungsinstitute wirken nicht nur in unserer Stadt, sondern bereichern unsere ganze Region – auch als Wirtschaftsstandort.“
Um die Zukunft des Wissenschaftsstandorts Göttingen ging es auch im Podiumsgespräch zwischen Nobelpreisträger Stefan Hell und Metin Tolan, Präsident der Georg-August-Universität. Auf Tolans Frage, was Hell im Hinblick auf die Zukunft des MPI-NAT von der Universität Göttingen erwarte, antwortete dieser: „Wir wünschen uns, dass die Universität weiter so blüht und dass sie noch stärker wird. Denn an einem Standort, an dem es eine hervorragende Universität gibt, können Forschende besonders erfolgreich arbeiten. Diese Korrelation kann man nicht negieren. Deswegen ist uns die Beziehung zur Universität so wichtig.“ Tolan stimmt vollumfänglich zu: „Insbesondere durch gemeinsame Berufungen können beide Seiten sehr stark voneinander profitieren.“
Die wissenschaftliche Vielfalt des Instituts mit einem Fächerspektrum von Physik und Chemie über Struktur- und Zellbiologie bis hin Neurowissenschaften und medizinischer Forschung unterstrichen die Vorträge von vier jungen Forschenden des MPI-NAT. Sie stellten ihre Projekte aus unterschiedlichen naturwissenschaftlichen Disziplinen in dreiminütigen Kurzvorträgen vor. Chemiker Stefan Glöggler präsentierte seine Forschung zur Bildgebung von Stoffwechselprodukten, Biologin Marieke Oudelaar ihre Arbeit zur dreidimensionalen Struktur des menschlichen Genoms. Physiker Jost Kollmeier gab einen Einblick in den neuesten Stand der Echtzeit-Magnetresonanz-Tomografie, Neurowissenschaftlerin Constanze Depp beschrieb einen neuartigen Risikofaktor für Alzheimer-Erkrankungen.
Über die „Hindernisse am Anfang des Lebens“ sprach im Anschluss Melina Schuh, Direktorin am MPI-NAT. In ihrem Vortrag erklärte die Biochemikerin, wie Fehler bei der Chromosomentrennung in Eizellen zu Fehlgeburten und Unfruchtbarkeit führen. Ihr Labor hat eine Methode entwickelt, mit der sich Fehler in menschlichen Eizellen reduzieren lassen. Diese könnte dabei helfen, Kinderwunschbehandlungen zu verbessern.
Dem Anlass entsprechend beendete Patrick Cramer den Festakt augenzwinkernd mit einer Einladung zum anschließenden Empfang: „Unterhalten Sie sich, lernen Sie neue Leute kennen – vielleicht von anderen Institutionen. Es könnte der Beginn von neuen wissenschaftlichen Kooperationen am Standort Göttingen sein.“ (kf)