Neue Methode macht räumliche Organisation der DNA hochaufgelöst sichtbar
Ob sich eine Zelle zur Leber-, Haut- oder Nervenzelle entwickelt, steuern die Gene in unserer DNA. Deren Aktivität wird äußerst präzise reguliert. Dabei spielt auch eine wichtige Rolle, wie sich das Erbgut im Zellkern faltet. Göttinger Forschende haben jetzt eine neue Methode entwickelt, mit der sich die räumliche Organisation der DNA mit sehr hoher Auflösung untersuchen lässt. Mit dieser Technik lässt sich die Regulation der DNA und ihrer Aktivität detaillierter als bisher erforschen. Letztendlich kann dies zu einem besseren Verständnis der genetischen Grundlagen menschlicher Krankheiten beitragen.
Unser Körper besteht aus hunderten verschiedenen Zelltypen, die auf ganz unterschiedliche Aufgaben spezialisiert sind: Sie bekämpfen Krankheitserreger, lassen unsere Muskeln arbeiten oder ziehen unser Herz rhythmisch zusammen. Dennoch enthalten sie alle den gleichen Bauplan, der in den Genen in unserer DNA verschlüsselt ist. Zellen werden zu Spezialisten, indem nur diejenigen Gene aktiviert werden, die eine Zelle für ihre jeweilige Funktion benötigt. Wie genau dieser Prozess, Genexpression genannt, abläuft, ist ein intensiv erforschtes Gebiet mit noch vielen offenen Fragen.
Die DNA einer einzigen menschlichen Zelle wäre auf ihre volle Länge ausgestreckt etwa zwei Meter lang und enthält mehrere Milliarden einzelner DNA-Basenpaare. Um in den winzigen Zellkern zu passen, muss sie sich in bestimmten dreidimensionalen Strukturen zusammenfalten. „Die Faltung unseres Genoms macht die DNA nicht nur kompakter, sondern beeinflusst auch, ob sich Gene in der DNA überhaupt aktivieren lassen“, erklärt Marieke Oudelaar, die am Institut die Lise-Meitner-Forschungsgruppe Genomorganisation und -regulation leitet. Ihrem Team ist jetzt ein methodischer Durchbruch gelungen: die räumliche Organisation von Regionen in der DNA mit einer Auflösung von bis zu 20 Basenpaaren sichtbar zu machen und im molekularen Detail zu untersuchen.
„Wir wissen bereits, dass Gene je nach Bedarf sehr präzise aktiviert oder gehemmt werden, und zwar über verschiedene Mechanismen. So gibt es zum Beispiel bestimmte DNA-Abschnitte, sogenannte Promotoren und Enhancer, die die regulierte Expression eines Gens ermöglichen“, erklärt Abrar Aljahani, Doktorandin in Oudelaars Team und Erstautorin der jetzt im Fachmagazin Nature Communication publizierten Arbeit.
DNA-Strukturen in hoher Auflösung sichtbar
Gen-Promotoren binden an Regulator-Proteine, die die Expression verstärken und abschalten können. Enhancer bewirken bei Kontakt mit proteingebundenen Promotoren, dass ein Gen stärker aktiviert wird. Allerdings können Enhancer- und Promotor-Bereiche auf einem DNA-Strang Hunderttausende von Basenpaaren entfernt voneinander liegen. Um den Promotor mit seinem Enhancer nahe zusammenzubringen, formt sich der DNA-Strang mithilfe bestimmter Proteine zu Schleifen. Werden die Kontakte zwischen ihnen gestört, können Erkrankungen wie beispielsweise Krebs die Folge sein. „Unsere Technik ermöglicht es, die 3D-DNA-Strukturen, in denen Promotoren und Enhancer wechselwirken, in extrem hoher Auflösung sichtbar zu machen. Damit haben wir ein wichtiges Werkzeug an der Hand, mit dem wir untersuchen können, wie sich gestörte Kontakte zwischen diesen beiden DNA-Regionen auf die Genexpression auswirken“, berichtet Oudelaar.
Oudelaars Team hat die Methode bereits erfolgreich eingesetzt, um die Mechanismen zu untersuchen, die die DNA-Faltung und die Genaktivierung steuern. Indem die Wissenschaftler*innen Architekturproteine selektiv entfernten, konnten sie genau kartieren, wie der Verlust dieser Proteine die spezifischen 3D-Wechselwirkungen zwischen Promotoren und Enhancern stört. Infolgedessen war die Genexpression geringer und weniger präzise reguliert. „Die Methode können wir nun nutzen, um die grundlegenden Prinzipien der Genregulation weiter zu entschlüsseln. Wir hoffen, dass wir die Technik in Zukunft auch noch darüber hinaus nutzen können – beispielsweise, um zu erfassen, wie genetische Variationen und Mutationen beim Menschen die Organisation und Regulierung unserer DNA beeinflussen“, so die Forschungsgruppenleiterin. (cr/mo)