NMR-basierte Strukturbiologie
Bei molekularem Inventar ist die räumliche Struktur gleichermaßen wichtig wie die chemische Zusammensetzung. Welch fatale Folgen ein Formfehler haben kann, zeigen bisher unheilbare Leiden wie die Alzheimer‑, die Parkinson- und die Creutzfeldt‑Jacob‑Krankheit. In allen drei Fällen sammeln sich deformierte Eiweißmoleküle in Gehirnzellen an und richten sie zugrunde. Nur wenn Proteine und Nukleinsäuren in Form bleiben, können sie ihre biologische Aufgabe erfüllen. Uns interessiert die Frage, auf welche strukturellen Details es dabei ankommt.
Zum Kern der Sache
Um die Struktur der Proteine zu entschlüsseln, setzen wir die nuklearmagnetische Resonanzspektroskopie (NMR-Spektroskopie) ein. Dabei greifen wir auf sogenannte Tripelresonanz‑Experimente zurück, die dreidimensionale Spektren ergeben. Bei Eiweißmolekülen, die aus mehr als zweihundert Aminosäuren zusammengesetzt sind, stößt selbst diese NMR‑Spektroskopie an ihre Grenzen. Hier setzen wir unter anderem Isotopenmarkierungen ein, um Aufschluss über die Position bestimmter Atome im Molekül zu erhalten. So lassen sich Proteine, die für die NMR-Spektroskopie eigentlich zu groß sind, stückweise analysieren.
Dynamische Moleküle
Darüber hinaus möchten wir die strukturelle Dynamik von Proteinen nachvollziehen, indem wir sie in Aktion beobachten. Mit ausgeklügelten Messverfahren und Analysemethoden werden die fraglichen Biomoleküle während ihrer Arbeit in Lösung oder eingebettet in eine Membran beobachtet. Mithilfe eines neuen Verfahrens der Messung residualer dipolarer Kopplungen war es uns so möglich, die Beweglichkeit von Proteinen im Zeitfenster zwischen milliardstel und millionstel Sekunden zu messen und daraus neue Erkenntnisse über die Protein/Proteinerkennung abzuleiten. Daraus können wir interessante Hypothesen über die Beweglichkeit von Proteinen ableiten, die sich wiederum experimentell überprüfen lassen.
Arzneimittel im Blickpunkt
Wie kleine Moleküle auf große Proteine einwirken, können wir schon jetzt sehr genau studieren. So lässt sich zum Beispiel zeigen, wie ein Wirkstoff für die Chemotherapie von Krebs an dem Strukturprotein Tubulin andockt. Wenn der Auf‑ und Umbau des Tubulin-Gerüsts nicht funktioniert, gehen die Zellen zugrunde, sobald sie sich zu vermehren versuchen. An der Struktur eines kleinen Moleküls aus der eigenen "Küche", das die oben erwähnten neurodegenerativen Erkrankungen zumindest im Tiermodell stoppt, arbeiten wir gerade.