Elektronenspinresonanz-Spektroskopie
In Molekülen liegen Elektronen meist paarweise vor. Ungepaarte Elektronen besitzen grundlegend andere Eigenschaften und können daher als hochempfindliche Sonden dienen, um die Struktur und Funktion von biomolekularen Komplexen im "aktiven Zustand" zu untersuchen. Solche sogenannten paramagnetischen Zentren sind manchmal in Proteinen oder Nukleinsäuren natürlich enthalten, können aber auch künstlich als Markierungen eingeführt werden. Mit modernen Methoden der Elektronenspinresonanz (EPR)-Spektroskopie können wir diese Zentren hochselektiv und unter beinahe natürlichen Bedingungen beobachten. Insbesondere entwickeln wir Techniken, bei denen wir gleichzeitig mehrere Zentren mit Mikrowellen und/oder Radiofrequenzstrahlung anregen, um deren magnetische Wechselwirkungen zu manipulieren. Dies gibt uns Auskunft über die Abstände der Zentren im atomaren sowie im Nanometerbereich und über ihre Ausrichtung in den untersuchten Proteinen.
Darüber hinaus verwenden wir Detektionsfrequenzen im Millimeterbereich, die nicht nur supraleitende polarisierende Magnetfelder, sondern auch eine deutlich komplexere Technik für die Signalanregung und Detektion erfordern. Daher führen wir unsere biophysikalischen Untersuchungen Hand in Hand mit methodischen und technischen Weiterentwicklungen.
In biologischen Systemen verlaufen zahlreiche Prozesse über paramagnetische Zustände, die durch Redoxreaktionen oder Radikal- bzw. Elektronentransfermechanismen entstehen. Das Enzym Ribonukleotid-Reduktase, welches für den Bau der Erbsubstanz in Form von Desoxyribonukleinsäuren (DNA) essenziell ist, stellt dafür ein Paradebeispiel dar. Mithilfe verschiedener EPR-Techniken konnten wir über das letzte Jahrzehnt mehrere enzymatische Zwischenschritte aufklären. Zum Beispiel konnten wir im Mechanismus des langreichweitigen (über 35 Å) Elektronentransfers zwischen den Enzymuntereinheiten mehrere Aminosäureradikale als Intermediate identifizieren. Durch die Einführung selektiver Spinmarkierungen wenden wir dieselben Techniken in einem viel breiteren Umfang auf diamagnetische Proteine an. Zu den Schwerpunkten unserer aktuellen Forschung gehören auch Untersuchungen an toxischen, aggregierenden Proteinen, Nukleinsäuren und Membranproteinen.
Elektronen und Atomkerne: Dynamische Kernpolarisation
Wegen ihres größeren magnetischen Momentes, ist der Besetzungsunterschied und damit die Polarisation bei Elektronenspins um drei Größenordnungen größer als bei Kernspins. Die dynamische Kernpolarisation ermöglicht es, die Hyperfeinkopplung zwischen Elektronen- und Kernspin zu nutzen, um die große Polarisation der Elektronenspins auf Kernspins zu übertragen, und damit die Sensitivität der Kernspinresonanz-Spektroskopie (NMR) zu erhöhen. Dazu werden paramagnetische Moleküle als sogenannter Polarisator (PA) in Proben für die NMR beigemischt. In kürzlich erfolgten Studien ist es uns dadurch gelungen, unter realistischen Versuchsbedingungen, d.h. bei Magnetfeldern von 3 bis 9.4 Tesla, 13C NMR Signalverstärkungen in flüssiger Phase von 2 - 3 Größenordnungen zu erzielen. Unser Ziel ist es, diese Methodik in Flüssigkeits-NMR zu etablieren. Hierfür untersuchen wir weiter die physikalischen Mechanismen des Polarisationstransfers für verschiedene Kerne und entwickeln neue Hardware.