Nano statt Karat - Diamanten im Dienste der Wissenschaft

Max-Planck-Forscher haben in Diamantkristallen einzelne fluoreszierende Farbzentren mit einem nanoauflösenden Lichtmikroskop sichtbar gemacht

25. Februar 2009
Große, perfekte Diamanten sind bei Wissenschaftlern nicht gefragt. Bunt und winzig können sie sein und noch dazu defekt. Denn an Defektstellen können sich nanoskopisch kleine "Farbzentren" ausbilden, die bei der Entwicklung modernster Quanten-Computer oder der Quantenkryptographie eine Schlüsselrolle spielen. Einem Forscher-Team vom Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie (Göttingen) ist nun erstmals gelungen, diese Farbzentren im Kristall hochaufgelöst aufzuspüren - und zwar ausgerechnet mit einem Lichtmikroskop. Mithilfe der STED (Stimulated Emission Depletion)-Mikroskopie konnten die Wissenschaftler selbst dicht gepackte einzelne Farbzentren identifizieren und ihre Position im Kristall auf weniger als 0,15 Nanometer genau – entsprechend der Ausdehnung eines Atoms – bestimmen. (Nature Photonics, 22. Februar 2009)

Der Diamant brilliert nicht nur als Schmuckstein: Techniker schätzen ihn längt als extrem harten Werkstoff, und zunehmend interessieren sich auch Wissenschaftler für den kostbaren Kristall. Auch wenn als Edelstein vor allem die farblose Variante glitzert - in der Wissenschaft sind es die weitaus billigeren, fluoreszierenden Diamanten, die Furore machen. Ihre Farbe beruht auf Fremdatomen im Diamantgitter, beispielsweise Stickstoff. Geraten Stickstoff-Atome in die Nähe von Leerstellen im Kristallgitter, so bilden sich atomar kleine, leuchtende Defektstellen aus, denn in diesen Defektstellen können Elektronen – ganz ähnlich wie in Farbstoffmolekülen – mit Laserlicht angeregt werden. Fallen sie in ihren Grundzustand zurück, so wird die Anregungsenergie als Fluoreszenzlicht abgestrahlt. Dies und ihre Eigenschaft, atomar kleine Magnete auszubilden, machen Farbzentren in Diamanten für Forscher unterschiedlicher Disziplinen interessant.

So sollen Farbzentren in Diamanten in Zukunft als kleine Prozessoren in Quantencomputern zum Einsatz kommen, um bestimmte Rechenoperationen zu beschleunigen. Auch ihre Eignung bei der Verschlüsselung hochsensibler Daten wird derzeit erforscht. Doch haben die Farbzentren im Kristall in der Handhabung einen entscheidenden Nachteil: Einzelne von ihnen kann man nur mit einem Fluoreszenzmikroskop erkennen. Und das nur dann, wenn sie weiter entfernt sind als 200 Nanometer (millionstel Millimeter), denn das entspricht der Auflösungsgrenze des Lichtmikroskops.

Auflösung auf die Spitze getrieben

Der Arbeitsgruppe um Stefan Hell am Göttinger Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie ist es nun mittels STED (Stimulated Emission Depletion)-Mikroskopie gelungen, die ersten Bilder dicht gepackter einzelner Farbzentren eines Kristalls aufzunehmen. Dazu trieben die Forscher die Auflösung der STED-Mikroskopie buchstäblich auf die Spitze: auf 5.8 Nanometer. Farbzentren in Diamant, die nur Bruchteile des bisherigen Grenzabstands voneinander entfernt waren, konnten einzeln abgebildet und ihre Position bis auf 0,15 Nanometer bestimmt werden. Die Wissenschaftler haben damit ein Verfahren an der Hand, dicht gepackte Farbzentren einzeln zu adressieren, und zwar mit fokussiertem Licht – obwohl Licht und herkömmliche Optik bis vor kurzem aufgrund der Beugung dafür vollkommen ungeeignet schien. Für die weitere Erforschung und Anwendung dieser Farbzentren bedeutet dies ein entscheidender Fortschritt. Auch Kristallographen sollen von der Methode profitieren. Denn die atomare Anordnung in Kristallen lässt sich so gezielt lokal erforschen.

Neue Klasse von Fluoreszenzmarkern

Dass die Stickstoffatome nachleuchten, wenn man sie mit Laserblitzen beschießt, macht sie auch für die Fluoreszenz-Nanoskopie selbst interessant. Mit den fluoreszierenden Diamanten wollen die Forscher dem Nanokosmos lebender Zellen weitere Geheimnisse entlocken. Dazu muss man die Kristalle jedoch nanoskopisch klein kriegen - nur als winzige Nanopartikel lassen sie sich für die Markierung von Zellen verwenden. "Organische Fluoreszenz-Farbstoffe, die wir bisher routinemäßig bei STED einsetzen, haben den Nachteil, dass sie flackern und am Ende ausbleichen", sagt Eva Rittweger, Doktorandin in der Arbeitsgruppe. "Dagegen bleiben Farbzentren im Diamant auch im STED-Mikroskop äußerst photostabil."

Bereits im November letzten Jahres brachte die Firma Leica das erste kommerzielle STED-Mikroskop auf den Markt. In der Nachwuchsgruppe unter Leitung von Silvio Rizzoli steht bereits ein solches Mikroskop. Rizzoli untersucht damit die Vorgänge in den Vesikeln der Nervenzellen von Ratten. Aber nicht nur Vorgänge, die bei der Übertragung von Signalen zwischen Nervenzellen eine Rolle spielen, lassen sich mit der STED-Mikroskopie klären. So erwarten Forscher, dass sich zukünftig damit viele Fragen der biologischen und medizinischen Forschung beantworten lassen. Ziel von Stefan Hell und seinen Mitarbeitern ist es nun, das Aufnahmeverfahren weiter zu optimieren. Für dessen Anwendung sieht Hell ein enormes Potential: "Erstmals Vorgänge auf der Nanoskala zu filmen, war ein wichtiger Schritt. Es stößt ein Tor auf zu neuen Erkenntnissen auf der molekularen Skala des Lebens – ein Tor, von dem man lange Zeit annahm, dass es das gar nicht gibt."

Forschergruppen in Würzburg, Stuttgart sowie in Asien und Amerika arbeiten daran, Nano-Diamanten auch in der biologischen und medizinischen Grundlagenforschung einzusetzen. "Wenn es gelänge, die Eigenschaften im Kristall auf winzige Diamant-Nanokristalle zu übertragen, hätte man automatisch eine Fluoreszenz-Nanoskopie ohne Bleichen – und damit einen weiteren sehr leistungsfähigen Zugang zur Nanoskala der Zelle", so Stefan Hell.

Originalveröffentlichung

Eva Rittweger, Kyu Young Han, Scott E. Irvine, Christian Eggeling, and Stefan W. Hell. STED microscopy reveals crystal colour centres wit nanometric resolution. (Nature Photonics, Online-Veröffentlichung, 22. Februar 2009) | doi:10.1038/nphoton.2009.2

Weiterführende Links

Die Abteilung NanoBiophotonik

Kontakt

Prof. Dr. Stefan Hell, Abteilung für NanoBiophotonik
Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie
Tel: +49 551 201-2500, -2503
Fax: +49 551 201-2505
E-mail: shell@gwdg.de

Dr. Carmen Rotte, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie
Tel: +49 551 201-1304
Fax: +49 551 201-1151
E-Mail: crotte@gwdg.de

Zur Redakteursansicht