ERC Advanced Grant für Marina Bennati

27. April 2021

Die Forschungsgruppenleiterin am Max-Planck-Institut (MPI) für biophysikalische Chemie erhält Fördermittel des Europäischen Forschungsrates (ERC) in Höhe von 2,4 Millionen Euro für die nächsten fünf Jahre. Mithilfe dieser Finanzierung möchte die Physikochemikerin mit ihrem Team zwei Methoden kombinieren: die Kernspinresonanz (NMR)- und die Elektronenspinresonanz (ESR)-Spektroskopie. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wollen so empfindlichere und höher aufgelöste Techniken entwickeln, um beispielsweise Wechselwirkungen zwischen Proteinen und Medikamenten zu untersuchen.

Wie regulieren Proteine biologische Prozesse in unserem Körper? Wie werden sie aktiviert und wie gehemmt? Und wo setzen Medikamente bei Biomolekülen an? Um diese Vorgänge auf molekularer Ebene besser beobachten zu können, möchten Bennati und ihr Team Techniken in der NMR- und ESR-Spektroskopie weiterentwickeln: „Die magnetische Resonanz zählt zu den wichtigsten Methoden in den Naturwissenschaften, um die Struktur und die Funktion von Molekülen zu untersuchen. Die beiden Verfahren sind aber oft nicht empfindlich genug, um uns alle Antworten zu liefern“, erklärt Bennati, die eine unabhängige Forschungsgruppe am MPI für biophysikalische Chemie leitet und Professorin an der Fakultät Chemie der Universität Göttingen ist.

Eines der Proteine im Fokus der Forschung ist die Ribonukleotid-Reduktase (RNR), die dabei hilft, lebensnotwendige Bausteine für unsere Erbinformation herzustellen. Bennati will aufklären, wie die RNR aktiviert und gehemmt wird. Da die RNR auch ein wichtiges Ziel für Krebsmedikamente ist, könnte dieses Wissen dazu beitragen, neue Wirkstoffe zu entwickeln. „Unser Labor verfügt über die geeignete Expertise und hochmoderne ESR- und NMR-Instrumente, um tiefere Einblicke in solche Regulationsmechanismen zu gewinnen“, hebt die Wissenschaftlerin hervor.

Ein Phänomen, zwei unterschiedliche Verfahren

Die ESR- und NMR-Spektroskopie beruhen auf dem Phänomen der magnetischen Resonanz. Dieses tritt auf, weil Elektronen und Atomkerne einen Drehimpuls (Spin) haben und sich deshalb an starken Magnetfeldern ausrichten. Die NMR-Spektroskopie nutzt aus, dass sich verschiedene Atomkerne unter dem Einfluss starker Magnetfelder unterschiedlich verhalten. Dies lässt Rückschlüsse auf die benachbarten Atome und damit die Struktur von Biomolekülen zu. 

Auch ungepaarte Elektronen sind magnetisch aktiv und dienen Forschenden als hochempfindliche Sonden. Darauf fußt das Verfahren der ESR-Spektroskopie. Zwar eignen sich für letztere Methode nur Moleküle mit ungepaarten Elektronen. Dafür sind die Messungen aber um drei Größenordnungen empfindlicher als in der NMR-Spektroskopie. 

Bennati und ihr Team versuchen, das Beste aus diesen beiden Welten zu vereinen: Sie verwenden ESR-basierte Verfahren und messen gleichzeitig Resonanzsignale der Atomkerne. Und sie nutzen NMR-basierte Verfahren, fügen aber Moleküle hinzu, deren ungepaarte Elektronen die Methode sensitiver machen. „Auf den Punkt gebracht: Wir nutzen NMR-Methoden, um ESR zu verbessern und umgekehrt“, fasst die Physikochemikerin zusammen. „Dank des bewilligten ERC Advanced Grants können wir nun neue Strategien entwickeln, um magnetische Resonanzsignale zu verstärken und so eine höhere Auflösung und Empfindlichkeit erreichen.“

In diesem Jahr waren vier niedersächsische Forscherinnen und Forscher bei den ERC Advanced Grants erfolgreich, davon gleich drei in Göttingen: Neben Marina Bennati erhielt ihr Kollege Lutz Ackermann von der Fakultät Chemie der Universität Göttingen sowie Alexander Flügel von der Universitätsmedizin Göttingen eine Millionenförderung. (is/cr)

Über Marina Bennati

Marina Bennati studierte Chemie an der Universität Münster und promovierte 1995 in Physik an der Universität Stuttgart. Nach einem Forschungsaufenthalt an der Universität von Budapest in der Abteilung Theoretische Chemie wechselte sie 1996 für sechs Jahre an das Massachusetts Institute for Technology Harvard Center for Magnetic Resonance in Cambridge (USA). Von 2001 bis 2006 forschte sie an der Universität Frankfurt und habilitierte sich dort 2006 in physikalischer Chemie. Seit 2007 leitet Marina Bennati die unabhängige Forschungsgruppe Elektronenspinresonanz-Spektroskopie am MPI für biophysikalische Chemie. 2011 wurde sie für eine Professur an die Fakultät Chemie der Universität Göttingen berufen. Für ihre Forschung erhielt sie unter anderem den Young Investigator Award der International EPR Society und den Bruker Prize der ESR-Spektroskopie-Gruppe der britischen Royal Society of Chemistry

Über die ERC Advanced Grants

Die ERC Advanced Grants werden seit 2008 vom ERC vergeben. Bewerben können sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die unabhängige Gruppen leiten und mindestens zehn Jahre exzellenter Forschung vorweisen können. Im Schnitt bewerben sich jährlich mehr als 2000 Forschende um die Förderung. Der Wettbewerb um die ERC Advanced Grants ist hoch kompetitiv. In diesem Jahr waren von den eingereichten 2678 Anträgen lediglich 209 erfolgreich. Das entspricht einer Förderquote von rund 8 Prozent.

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