50 Jahre Nobelpreisträger
Am 30. Oktober 1967 vormittags erreichte Manfred Eigen in seinem Büro am Göttinger Max-Planck-Institut für physikalische Chemie in der Bunsenstraße ein ungewöhnlicher Anruf: Ein schwedisches Kamerateam meldete sich und bat um ein Interview, und zwar am selben Tag. „Wir sind vor Ort in Göttingen“, lautete die Antwort auf die verwunderte Frage des Max-Planck-Forschers, wie die Kameraleute denn so schnell aus Schweden nach Göttingen kommen wollten. Manfred Eigen stimmte dem Anliegen zu.
Rund eine Stunde später wurde der Wissenschaftler offiziell als diesjähriger Nobelpreisträger für Chemie verkündet. Einer der ersten, die ihm gratulierten, war Otto Hahn. Die Post fragte schließlich aufgrund der Flut an Telegrammen verzweifelt an, ob man diese nicht gesammelt an Eigen ausliefern dürfte. Dass er die nächsten Wochen bis zur Verleihung des Preises nicht hätte arbeiten können bei den vielen Interviewanfragen und Gratulationen aus aller Welt, war dem Physiko-Chemiker gut im Gedächtnis geblieben.
Am 10. Dezember 1967 bekamen Manfred Eigen und die mit ihm ausgezeichneten britischen Kollegen Ronald Norrish und George Porter die Nobelpreise vom schwedischen König Gustav VI. Adolf überreicht.
Große Lücke in unserem Wissen über Chemie gefüllt
Die Königlich Schwedische Akademie der Wissenschaften ehrte Manfred Eigen damit für seinen wissenschaftlichen Durchbruch, bei dem es ihm gelang, den Verlauf sehr schneller chemischer Reaktionen zu verfolgen, die sich im Bereich von Mikro- bis Nanosekunden abspielen. Der Physiko-Chemiker hatte damit eine grundlegende Grenze durchbrochen, denn solche sehr schnellen Reaktionsabläufe wurden bis dahin für unmessbar gehalten. Seine sogenannten Relaxations-Messmethoden klärten wichtige Fragen in der Biochemie und sind weit über die Chemie hinaus von fundamentaler Bedeutung.
„Obwohl Chemiker schon lange von sofortigen Reaktionen gesprochen hatten, bestand für sie keine Möglichkeit, die tatsächlichen Reaktionsgeschwindigkeiten zu bestimmen. Es gab viele sehr wichtige Reaktionen dieser Art wie die Neutralisation. Dank Ihnen, Professor Manfred Eigen, haben Chemiker jetzt eine ganze Reihe von Methoden, die verwendet werden können, um diese schnellen Prozesse zu verfolgen, sodass nun eine große Lücke in unserem Wissen über Chemie gefüllt wurde“, würdigte Laudator H.A. Ölander, Mitglied des Nobel-Komitees für Chemie der Königlich Schwedischen Akademie der Wissenschaften, die Arbeiten des Göttinger Forschers. Angeregt unterhielt Eigen sich im Laufe des festlichen Abends mit dem König – ein geachteter Archäologe und eine Autorität auf dem Gebiet chinesischer Kunst – über Wissenschaft.
Ein Nobelpreis in jeder Forschergeneration
Zu Manfred Eigens großer Freude blieb dies nicht der einzige Nobelpreis, der für Forschungsarbeiten an seinem Institut verliehen wurde. Auch in den nächsten beiden Generationen wurde Wissenschaftlern des MPI für biophysikalische Chemie diese hohe Ehre zuteil. Erwin Neher und Bert Sakmann erhielten 1991 den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin. Stefan Hell wurde 2014 mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet. (cr)