Ein Start-up, das Leben schafft

Das Start-up Ovo Labs hat das Ziel, Fruchtbarkeitsbehandlungen effektiver zu machen, indem es die Qualität menschlicher Eizellen verbessert. Dafür konnte sich die MPI-NAT-Ausgründung jetzt 4 Millionen Pfund als Startkapital sichern.

Nach neuesten Schätzungen kann etwa jedes fünfte Paar keine Kinder auf natürlichem Wege zeugen“, sagt Agata Zielinska. Sie ist Ärztin und Wissenschaftlerin im Bereich Reproduktionsmedizin, MPI-NAT-Alumna und Mitbegründerin des neuen Start-ups Ovo Labs. Künstliche Befruchtung, oder In-vitro-Fertilisation (IVF), gibt vielen Menschen, die sich Kinder wünschen, Hoffnung, sagt sie. Leider ist die IVF keine zuverlässige Lösung und kann sehr belastend sein: „Grundsätzlich ist sie wirksam. Schaut man sich jedoch einzelne Behandlungen an, hat sie eine sehr geringe Erfolgsquote. Die Chance, durch einen IVF-Zyklus schwanger zu werden, liegt bei nur 25 bis 35 Prozent.“ Mit Ovo Labs wollen Zielinska und ihre Mitgründer*innen – Melina Schuh, Direktorin und Leiterin der Abteilung Meiose an unserem Institut, sowie Oleksandr Yagensky, Biologe und ehemaliger Strategieberater – dies ändern. Ihre neuen Wirkstoffe zielen auf den Anfang allen menschlichen Lebens ab: die Eizelle

Die biologische Uhr erforschen

Schuh und Zielinska lernten sich vor über zehn Jah - ren kennen, als Zielinska ihre Promotion in Schuhs Labor in Cambridge (Vereinigtes Königreich) begann. Als Schuh als Direktorin am damaligen MPI für bio - physikalische Chemie ernannt wurde, folgte Zielinska ihr nach Göttingen, um ihre Fruchtbarkeitsforschung fortzusetzen. „Bei Frauen nimmt die Fruchtbarkeit ab, weil die Qualität der Eizellen abnimmt“, erklärt Schuh. Alle Eizellen, die eine Frau jemals haben wird, sind be - reits im weiblichen Fötus angelegt. „Im Alter von 40 Jahren ist ein Teil der Eizellen bereits genetisch abnormal, weil die Zellen ebenfalls 40 Jahre alt sind.“ Schuh, Zielinska und viele ihrer Kolleg*innen in der Abteilung Meiose haben lange die Mechanismen erforscht, die erklären, warum die Qualität der Eizellen mit zunehmendem Alter abnimmt. Das Start-up kann nun auf zwei Jahrzehnte bahnbrechender Forschung zu diesem Thema zurückgreifen. „Bei Ovo Labs beschäftigen wir uns genau mit den Mechanismen, die wir über viele Jahre untersucht haben, um die Qualität menschlicher Eizellen zu verbessern“, sagt Schuh

Künstliche Befruchtung weiterentwickeln

Mit ihren Therapien möchte das Ovo Labs-Team künstliche Befruchtungen effizienter machen, damit mehr Menschen bereits mit einem einzigen IVF-Versuch schwanger werden können. Darüber hinaus wollen sie Frauen Ende 30 und Anfang 40 die Chance geben, weiterhin erfolgreich künstlich befruchtet werden zu können: „Das ist besonders wichtig, weil Menschen heutzutage oft später Kinder bekommen“, erklärt Zielinska. „Es ist sehr ungerecht, dass das für Männer nicht unbedingt so gravierende Folgen hat. Wenn Frauen 40 werden, kann das bedeuten, dass sie nie Mutter werden, selbst wenn sie sich Kinder wünschen.

Abgesehen davon bieten die drei therapeutischen Ansätze von Ovo Labs – EmbryoProtect 1, 2 und 3 – einen weiteren großen Vorteil für diejenigen, die sich für eine IVF entscheiden: „Unsere Technologie lässt sich nahtlos in einen Standard-IVF-Zyklus integrieren“, sagt Schuh. Diese Wirkstoffe haben das Potenzial, genetische Fehler in Eizellen, sogenannte Aneuploidien, zu reduzieren. „Wir behandeln die einzelnen, unbefruchteten Eizellen im Labor, sodass für die Patientinnen keine Nebenwirkungen auftreten.“

Meilensteine

Vor Kurzem hat sich das Unternehmen in seiner ersten Finanzierungsrunde 4 Millionen Pfund gesichert. Neben Risikokapital-Unternehmen aus den Bereichen Technologie und Biomedizin investiert auch Antonio Pellicer, Gründer der weltweit größten Kette von IVF-Kliniken, in Ovo Labs. „Mit dieser ersten Finanzierungsrunde wollen wir unsere Wirkstoffe weiterentwickeln, damit sie für klinische Studien bereit sind“, erklärt Yagensky. „Die nächsten Monate bei Ovo Labs werden sehr arbeitsintensiv und spannend.“ Neben der Arbeit an ihrem ersten Meilenstein – der klinischen Testphase – sind sie gerade dabei, ein Team aus Forschenden und Wirtschaftsexpert*innen aufzubauen, um Ovo Labs Wirklichkeit werden zu lassen.

Ein Göttinger Start-up

In der Life Science Factory in München entwickelt Ovo Labs seine Technologie. Offizieller Sitz des Unternehmens ist in München und London. Trotzdem fühlt sich Ovo Labs wie ein Göttinger Start-up an: Während Zielinska ihre Doktorarbeit in der Abteilung von Melina Schuh schrieb, forschte Yagensky als Doktorand in der ehemaligen Abteilung für Neurobiologie unter der Leitung von Reinhard Jahn. „Wir kannten uns damals nicht, obwohl wir durch die gleichen Flure gegangen sind und in derselben Kantine gegessen haben. Wir sind uns nie begegnet“, erinnert sich Zielinska. Sie lernten sich erst kennen, als Schuh und Zielinska einen dritten Partner für die Gründung ihres Start-ups suchten. „Es war ein schöner und lustiger Zufall, dass Oleksandr am selben Institut geforscht hatte. Er hat einen Hintergrund in Biologie, hat aber in den letzten fünf Jahren als Berater gearbeitet und bringt nun seine Geschäftserfahrung in unser Unternehmen ein.“

Das Risiko wert

Während Schuh weiterhin ihre Abteilung Meiose und das Institut als derzeitige Geschäftsführende Direktorin in Göttingen leitet, sind Yagensky und Zielinska nun beide in Vollzeit als Co-CEOs für das Unternehmen tätig. Zielinska ist für ihre neue Position sogar kürzlich von London nach München gezogen. Sie ist zuversichtlich, dass sich das Risiko lohnen wird: „Investor*innen sagen immer, dass es zum Gründen eine gute Portion Optimismus und Selbstvertrauen braucht. In unserem Fall glauben wir auch sehr stark an unsere Technologie. Es fühlt sich wie ein unglaubliches Risiko an, aber gleichzeitig auch wie eine unglaubliche Chance, unsere Forschungserkenntnisse zu nutzen, um das Leben von Frauen zu verändern, indem wir ihre Chancen auf eine erfolgreiche Schwangerschaft erhöhen. Wir können das Feld tatsächlich transformieren. Deshalb haben wir uns dafür entschieden, es zu wagen.“ (kf)

Weitere interessante Beiträge

Zur Redakteursansicht