Leuchtende Einblicke
Seit 2018 forscht die Gruppe Chromatin-Markierung und Bildgebung an speziellen Farbstoffen, um die Vorgänge in der Zelle sichtbar zu machen.
2018 stand Gražvydas Lukinavičius mit seiner Forschungsgruppe am Anfang. Sein Team: ein Postdoc – Jonas Bucevičius. Sein Plan: bestimmte Bestandteile lebender Zellen so markieren, dass sie unter dem Mikroskop sichtbar werden.
Mittlerweile ist die Gruppe gewachsen. Statt eines Zwei-Mann-Teams zählt die Gruppe nun neun Forschende. „Du musst Menschen finden, die an die Ergebnisse glauben. Das ist das Wesentliche”, sagt Lukinavičius. „Teamwork ist sehr wichtig. Tolerant und belastbar sollte man zudem auch sein.“ Es bringe nichts, etwas erzwingen zu wollen. „Man kann es versuchen, aber es bringt trotzdem nichts. Das habe ich gelernt.” Es brauche Zeit, neben dem Labor und dem Equipment auch das Team aufzubauen.
Geduld zahlt sich aus
Shalini Pradhan hat von Lukinavičius‘ Geduld profitiert. Die PhD-Studentin ist seit Oktober 2020 Teil der Gruppe. „Ich bin die erste Doktorandin, die Gražvydas eingestellt hat. Ich bin quasi wie sein erstes Kind“, lacht sie. Mittlerweile steht die Biologin kurz vor dem Abschluss. „Als ich zu der Gruppe kam, war ich begeistert, Teil einer so vielseitigen Gruppe zu sein und neue Techniken zu lernen!“ Aber in der Forschung gebe es schöne und schlechte Tage. „Ich glaube, jede Person, die promoviert, kennt das: Manchmal ist man frustriert und fragt sich: ‚Warum klappt es nicht?‘. Immer, wenn ich an diesem Punkt war, war Gražvydas sehr geduldig und hat mich motiviert. Er sagte: ‚So ist das in der Wissenschaft, es braucht seine Zeit. Es wird schon gut gehen.‘“
Den Nanokosmos sichtbar machen
Lukinavičius hat ein interdisziplinäres Team um sich versammelt: Biochemiker*innen, Chemiker*innen und Biolog*innen. Der Fokus der Gruppe ist die biologische Markierung – eine Technik, um interessante Zellregionen mithilfe von speziellen Markern und Sonden so zu verändern, dass sie unter dem Mikroskop sichtbar werden. Die Wissenschaftler*innen bewegen sich dabei auf Nanometer-Ebene: Sie markieren Chromatin, ein Komplex aus DNA, RNA und Proteinen, aus dem Chromosomen bestehen. Das Markieren der DNA darf dabei ihr Verhalten und ihre Struktur nicht im Geringsten beeinflussen oder verfremden.
Die Marker und Sonden, die die Forschungsgruppe entwickelt, sind elementar für hochauflösende Blicke ins Innere der Zelle. Zum Beispiel, wenn es um die sogenannte Kernmorphologie, die Anordnung der Bestandteile im Zellkern geht: Wo sich die Chromosomen oder spezifische DNA-Abschnitte im Zellkern befinden, spielt eine entscheidende Rolle, wenn sich Zellen teilen, Nervenzellen Signale übertragen, aber auch, wenn sich Krebs entwickelt. „Die Kernmorphologie wird seit Jahrzehnten zur Diagnose verschiedener Krebsarten eingesetzt“, erklärt Lukinavičius. „Die modernen superauflösenden Techniken der Fluoreszenzmikroskopie ermöglichen Forschenden heute, den Zellkern in lebenden Zellen abzubilden.“ Wenn die Struktur des Zellkerns von Krebszellen beispielsweise im Vergleich zu gesunden Zellen verändert ist, können Forschende dies nutzen, um Krebszellen zu identifizieren und zu bekämpfen.
Pradhan arbeitet beispielsweise daran, DNA in einem lebenden System zu markieren. „Ich injiziere Mäusen ungiftige Sonden, die wir synthetisiert haben. Dann untersuche ich, wie sich die Sonden verteilen und wie sie sich auf verschiedene Gewebe auswirken.“ Bisher hat sie gute Ergebnisse erzielt. „Wenn es sehr gut funktioniert, kann es auch für diagnostische Zwecke verwendet werden.“
Wie es weitergeht
Lukinavičius Forschungsziel 2018 war, spezifische Marker zu entwickeln. „Das haben wir mehr oder weniger erreicht“, sagt er. Das Team konnte unter anderem Fluoreszenzfarbstoffe so optimieren, dass sie leichter in lebende Zellen gelangen. Indem die Wissenschaftler*innen die neuen Farbstoffe mit der 3D-STED-Mikroskopie kombinierten, gelang es ihnen, winzige Strukturen des Zellskeletts von nur circa 20 Nanometern, das sind 20 millionstel Millimeter, sichtbar zu machen.
Die Arbeit wird aber natürlich weitergehen. Der nächste Schritt soll sein, neuartige Markierungen zu entwickeln. „Es handelt sich nicht wirklich um eine Neuheit auf dem Gebiet, aber einige Markierungen werden ständig verwendet. Wir wollen darüber hinausgehen und neue einführen.“ Auf der Grundlage dessen, was das Team bisher erreicht hat, wollen die Forschenden weiter aufbauen. „Wir entwickeln uns stetig weiter, entwickeln auch das Labor weiter. Wir sind immer auf der Suche nach neuen Forschenden mit unterschiedlichen Hintergründen, die mit uns zusammenarbeiten möchten.“ (kf)