Millionenförderung für bahnbrechende Mikroskopie-Entwicklungen
Das Forschungsprojekt FAIR CHARM verfolgt das Ziel, Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung mithilfe von hochauflösender Echtzeit-Bildgebung klinisch anwenden zu können. Die EU fördert das Vorhaben mit sechs Millionen Euro. Die fachliche Spanne deckt ein interdisziplinäres Konsortium aus sechs internationalen Universitäten und Forschungseinrichtungen sowie drei Unternehmen ab. Daran beteiligt ist auch das Team um Frauke Alves am Max-Planck-Institut (MPI) für Multidisziplinäre Naturwissenschaften und an der Universitätsmedizin Göttingen (UMG).
Die biomedizinische Forschung hat in den letzten Jahrzehnten viele Innovationen hervorgebracht, die auf neue Ansätze für die Behandlung von Krankheiten, wie Krebs, hoffen lassen. Und doch ist es noch immer eine Herausforderung, die Erkenntnisse aus dem Labor in die klinische Anwendung zu bringen, sodass Patient*innen und Betroffene davon profitieren.
Einer der Gründe dafür ist, dass bisher keine bildgebenden Verfahren existieren, die krankhafte Veränderungen sowohl in einzelnen Bestandteilen einer Zelle, als auch in unterschiedlichen Zelltypen bis hin zu ganzen Organen abbilden können. Neue Behandlungsstrategien für unterschiedliche Krankheiten benötigen daher spezielle Instrumente, mit denen sich vielfältige biologische Prozesse überwachen und Probleme für Forschende und Behandelnde erkennbar machen lassen.
„Wir zielen darauf ab, mit neuen Mikroskopie-Technologien biologische Prozesse zu verfolgen, die am Ausbrechen und Fortschreiten von Krankheiten beteiligt sind“, sagt Luigi Bonacina von der Universität Genf (Schweiz), der das Projekt FAIR CHARM (FAst Infrared Coherent HARmonic Microscopy) koordiniert. „Aus den Erkenntnissen lassen sich dann neue therapeutische Konzepte entwickeln.“ Die Ergebnisse sollen unter anderem dazu beitragen, die Behandlung sogenannter Muskeldystrophie mit transplantierten Stammzellen weiterzuentwickeln. Ein anderes mögliches Anwendungsfeld ist zu erforschen, wie Tumor- und Immunzellen wechselwirken und auf Medikamente reagieren. Das Projekt teilt sich dabei auf drei Handlungsfelder auf:
Drei Anwendungsfelder
Der Bau des SWIM-Mikroskops (Short-Wave-Infrared Microscope) soll mithilfe von neuartiger Lasertechnik millimetertiefe hochauflösende Bildgebung in Gewebe ermöglichen. Mit SWIM können Forschende dabei bis zu 15 Mal tiefer vordringen als mit konventionellen Lichtmikroskopen.
Das SLIDE-Mikroskop (Spectro-temporal Laser Imaging by Diffracted Excitation) wiederum verspricht, noch nie dagewesene Bildgebungsgeschwindigkeiten von bis zu mehreren tausend Bildern pro Sekunde zu liefern. Mit dieser Auflösung in Millisekunden können krankheitsrelevante Prozesse überwacht werden.
Ergänzt werden SWIM und SLIDE durch Deep-Learning-Erkennungsalgorithmen, die an die neu gewonnenen Beobachtungsdaten der Mikroskope angepasst werden. Die künstliche Intelligenz wird so darauf trainiert, in dreidimensionalen Datensätzen spezifische Merkmale für krankhafte Veränderungen zu erkennen, beispielsweise im Fall von Krebs sowie bei Erkrankungen des Gehirns oder der Muskeln.
Die Forschungsgruppe Translationale molekulare Bildgebung von Frauke Alves am Göttinger MPI für Multidisziplinäre Naturwissenschaften und der UMG legt ihren Schwerpunkt vor allem auf das Tracken von Tumor- und Immunzellen sowie deren Wechselwirkungen mit den Zellen, die den Tumor direkt umgeben. Zusätzlich wird sich das interdisziplinäre Team damit beschäftigen, den Transport, das Ansammeln und die Effizienz von neuen Krebsmedikamenten im Körper abzubilden. „Wir werden so neue Informationen über die Mikroarchitektur sowie über komplexe Interaktionen zwischen verschiedenen Zellen und Komponenten der extrazellulären Matrix im Tumorgewebe sammeln. Damit erforschen wir, wie diese Faktoren die Wirksamkeit von nanopartikel-basierten Therapien beeinflussen“, erzählt Alves. „So wollen wir das Potenzial der Grundlagenforschung für die klinische Anwendung und damit auch für Patient*innen nutzbar machen.“
Neben der Forschungsgruppe aus Göttingen und Wissenschaftler*innen der Universität Genf arbeiten fachübergreifende Teams aus Belgien, Frankreich, Ungarn, Litauen und Deutschland gemeinsam daran, Bildgebungsmethoden und intelligente Datenverarbeitung mit FAIR CHARM zu optimieren.
(Pressemitteilung der Universität Genf / kf)