Schweres Wasser
Karl Friedrich Bonhoeffer begann diese Untersuchungen mit der Herstellung von in Deuterium angereichertem Wasser durch Elektrolyse von über 100 Liter Wasser bzw. von wässrigen Laugen aus Griesheim, die zur technischen Wasserstoffherstellung durch Elektrolyse herangezogen und schon vorangereichert waren. Zunächst begnügte er sich mit etwa 10-facher Anreicherung (1 D-Atom auf 400 H-Atome; natürliches Wasser 1 D-Atom auf etwa 3000 H-Atome), später konnte er aber nahezu reines schweres Wasser in Grammmengen herstellen, mit dem er und seine Mitarbeiter sparsamst umgingen, das er aber großzügig anderen Wissenschaftlern, wie z.B. E. Rutherford zur Verfügung gestellt hat.
Mit diesen mehr oder weniger angereicherten Schwerwasserproben untersuchte Bonhoeffer nun die Kinetik und den Mechanismus der Gleichgewichtseinstellung des Wasserstoffisotopenaustausches mit anorganischen und organischen Substraten (z.B. D2O + H2 ⇔ HDO + HD, D2O + NH3 ⇔ HDO + NH2D, D2O + ROH ⇔ HDO + ROD); bei Versuchen mit den verschiedensten Zuckern konnte er zeigen, dass in neutralem Milieu nur die über Sauerstoff gebundenen H-Atome austauschen, während in alkalischer Lösung über Enolisierung der Aldo- oder Ketogruppe auch die diesen benachbarten kohlenstoffgebundenen Wasserstoffatome am Austausch teilnehmen. Damit konnte er auch direkt die Enolisierungsgeschwindigkeit der Zucker oder allgemeiner auch von Aldehyden und Ketonen bestimmen. Und er verfolgte die Aufnahme von Deuterium durch in angereichertem Wasser wachsende oder sich vermehrende Algen, Bakterien und Hefen und konnte damit zur Aufklärung der Wachstumsmechanismen beitragen, sowie auch die Wachstumsgrenzen in schwerem Wasser bestimmen. Aldolkondensation, Canizzaroreaktion und Enzymspaltung waren andere Themen, bei denen er das Deuterium als Indikator heranzog. Er hat damit sehr wesentlich zur Einführung des Deuteriumisotops als Indikator zur Aufklärung von Reaktionsmechanismen in der organischen Chemie und in der Biochemie beigetragen.
Diese Versuche sind experimentell sicher nicht einfach gewesen denn damals verfügten die Laboratorien nicht über die Massenspektroskope, mit denen heute Isotopenanalysen einfache Routine sind. Die Analysen wurden vielmehr durch Dichtemessungen der nach der Reaktion wiedergewonnen, an Deuterium verarmten Wasserproben oder der durch Verbrennung der isolierten organischen oder biochemischen Substanzen gebildeten, angereicherten Wasserproben durchgeführt. Dichtemessungen mit einer Genauigkeit von wenigen ppm (1 ppm = 0,0001 %) waren dazu erforderlich!