Dirk Görlich erhält WLA-Preis 2022
Die World Laureates Association (WLA) zeichnet hiermit die maßgeblichen Entdeckungen des Direktors am Max-Planck-Institut (MPI) für Multidisziplinäre Naturwissenschaften auf dem Gebiet der zellulären Logistik aus. Er habe eine Schlüsselrolle dabei gespielt, die Prinzipien des Transports zwischen dem Zellkern und dem Zytoplasma aufzuklären, betonte das Preiskomitee. Die Auszeichnung ist mit 10 Millionen Chinesischen Yuan (rund 1,4 Millionen Euro) dotiert und wurde am 6. November auf dem 5. WLA-Forum in Shanghai (China) feierlich überreicht.
Die in diesem Jahr erstmals vergebene Auszeichnung wird in zwei Kategorien verliehen: Görlich erhält den Preis in der Kategorie Life Science or Medicine. Im Bereich Computer Science or Mathematics ehrt die Vereinigung Michael I. Jordan, einen der führenden Forschenden auf dem Gebiet des maschinellen Lernens.
Görlich erforscht, wie Zellen das logistische Problem lösen, zehntausende verschiedener Proteine korrekt entweder in den Zellkern hinein oder aus diesem hinaus ins Zytoplasma zu transportieren und gleichzeitig unerwünschten Molekülen den Zutritt zu verwehren. Mit seinem Team fand er heraus, dass spezielle Proteine, Importine und Exportine genannt, dabei als Shuttle fungieren, die die molekulare Fracht befördern.
Entscheidend für den zellulären Frachttransport ist aber auch eine zweite Entdeckung des Teams: ein „intelligentes“ Material im Herzen einer der effizientesten Proteintransportmaschinen der Natur, dem Kernporenkomplex. Dieser schafft die Verbindung zwischen dem Zellkern und dem Zytoplasma. Der zentrale Kanal der Kernpore ist mit einem gelartigen Material gefüllt, FG-Phase genannt. Es gestattet Importinen und Exportinen samt Fracht zu passieren, verwehrt aber anderen Molekülen den Durchtritt. Diese zelluläre Grenzkontrolle läuft äußerst schnell ab – innerhalb von Millisekunden.
Hydrogel – „intelligente“ Siebe
Der Max-Planck-Forscher postulierte zur FG-Phase bereits vor mehr als 20 Jahren ein Modell und konnte es durch eine Vielzahl von Versuchen experimentell belegen; mittlerweile ist es wissenschaftlich allgemein anerkannt: Besondere Bereiche bestimmter Kernporenproteine – sogenannte FG-Domänen – lagern sich zusammen und formen ein wasserhaltiges, dreidimensionales Sieb. Das so entstandene, hochdynamische Hydrogel bildet die selektive Barriere, die es den winzigen Kernporen in der Hülle des Zellkerns ermöglicht, „intelligent“ zu sieben. Wo das Shuttle-Protein an eine FG-Domäne bindet, lösen sich die FG-Verbindungen. Einzelne Maschen im Gel werden dadurch kurzzeitig geöffnet; das Shuttle kann samt Fracht passieren. Noch während der Passage schließen sich die Maschen wieder.
„Diese Art der Wechselwirkung erwies sich später als ein allgemeineres Prinzip, das auch die Bildung sogenannter zellulärer Kondensate oder membranloser Organellen mit einer breiten Palette physiologischer Funktionen erklärt“, sagt Görlich. “Der Preis ist nach einer langen und spannenden wissenschaftlichen Reise eine wunderbare Anerkennung unseres gesamten Teams.“
Görlichs Entdeckungen ermöglichten einen neuen Einblick in einen Schlüsselprozess, der die Funktionsweise von Zellen steuere und bei einer Reihe menschlicher Krankheiten gestört sein könne, betont Medizin-Nobelpreisträger und Auswahlkomitee-Vorsitzender Randy Schekman. „Die Werkzeuge, die Dirk Görlich zum Einsatz brachte, und die Ideen, die er entwickelte, waren wirklich einzigartig und sehr überzeugend auf einem sehr kompetitiven Forschungsgebiet. Meiner Meinung nach, und nach Meinung des Preiskomitees, hat er die anderen um Längen hinter sich gelassen“, so Schekman. (cr/kf)
Über den Preisträger
Dirk Görlich studierte Biochemie in Halle und promovierte 1993 an der Humboldt-Universität zu Berlin. Nach einem zweijährigen Forschungsaufenthalt am Wellcome / CRC Institute (heute: Gurdon Institute) in Cambridge (Großbritannien) wurde er 1996 als Forschungsgruppenleiter und 2001 als Professor für Molekularbiologie an das Zentrum für Molekulare Biologie der Universität Heidelberg berufen. Seit 2007 leitet er die Abteilung Zelluläre Logistik am MPI für Multidisziplinäre Naturwissenschaften (bis 31.12.2021: MPI für biophysikalische Chemie). Er erhielt zahlreiche wissenschaftliche Auszeichnungen, darunter den Heinz-Maier-Leibnitz-Preis, die EMBO Gold Medal, den Alfried-Krupp-Förderpreis sowie den Tierschutzforschungspreis des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. Er ist Mitglied der European Molecular Biology Organization und der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina.
Über den World Laureates Association (WLA)-Preis
Die WLA ist eine gemeinnützige Organisation mit Sitz in Shanghai (China). Zu ihren Zielen gehört es, Grundlagenforschung zu stärken, internationale Zusammenarbeit zu fördern und wissenschaftlichen Nachwuchs zu unterstützen. Mit dem Preis hat die WLA den Anspruch, eine weltweit einflussreiche Auszeichnung auf den Gebieten der Lebenswissenschaften, Medizin und Computerwissenschaften zu etablieren. Finanziert wird der WLA-Preis von Sequoia China.