Zellkernarchitektur
Höhere Wirbeltiere wie der Mensch setzen sich aus mehr als 200 verschiedenen Zelltypen zusammen. Abgesehen von wenigen Ausnahmen besitzt jede dieser Zellen einen Zellkern, der das Erbmaterial in Form von Chromatin beinhaltet. Der Membranmantel des Zellkerns, die sogenannte Kernhülle, grenzt das Chromatin und andere Kernbestandteile vom Rest der Zelle ab. Jedoch ist diese Hülle von sogenannten Kernporen durchzogen, die einen Austausch von Molekülen zwischen dem Kerninnern und dem Rest der Zelle erlauben.
Je nach Zelltyp kann die Morphologie der Zellkerne sehr unterschiedlich sein. In vielen Zellarten sind sie kugelförmig oder ellipsoid, in anderen schlauchförmig, gelappt, aufgefaltet oder sogar segmentiert. Deutliche Unterschiede gibt es auch im Erscheinungsbild des Kerninnern. Über die möglichen Ursachen solch unterschiedlicher Zellkernarchitektur und die beteiligten Moleküle und ihre Wechselwirkungen ist nur wenig bekannt. Zudem ist unklar, ob diese Unterschiede nur Folge anderer Zelltyp-spezifischer Merkmale sind oder ob sie auch ursächlich zu den funktionellen Unterschieden zwischen den Zellarten beitragen.
Um diese Fragen anzugehen, wollten wir Zellkernproteine identifizieren, die architekturelle Aufgaben haben und die Infrastruktur des Zellkerns mitbestimmen. Ausgangspunkt unserer Untersuchungen sind fibrilläre Strukturen, die an der Innenseite der Kernporen verankert sind und deren Aussehen manchmal dem von runden Körben ähnelt. Als einen Hauptbestandteil dieser sogenannten Kernkörbe konnten wir ein großes stäbchenförmiges Protein identifizieren, das sich in fast allen untersuchten Zelltypen an der Kernperipherie nachweisen lies. Zudem konnten wir zeigen, dass dieses Protein eine wichtige Rolle bei der Chromatinverteilung nahe der Kernhülle spielt und dort wesentlich zur Innenarchitektur des Zellkerns beiträgt. Vermutlich haben der Kernkorb und dieses Protein aber auch andere Funktionen, die noch aufgeklärt werden müssen. Daneben gilt unser Interesse den weiteren morphologischen Auffälligkeiten unterschiedlicher Zellkerne und den ungeklärten molekularen Ursachen.