Untersuchung an molekularen Komplexen mittels hochauflösender Festkörper-NMR-Spektroskopie

Forschungsbericht (importiert) 2007 - Max-Planck-Institut für Multidisziplinäre Naturwissenschaften

Autoren
Baldus, Marc
Abteilungen
Zusammenfassung
Unlösliche oder nichtkristalline Moleküle sind an vielen chemischen oder biophysikalischen Prozessen beteiligt. Dazu gehört z.B. die funktionale Kontrolle von Membranproteinen durch externe Liganden oder die Bildung von Proteinaggregaten im Zusammenhang mit der Alzheimer´schen oder Parkinson’schen Krankheit. In solchen Systemen bietet die Festkörper-NMR (Kernspinresonanz) die Möglichkeit, strukturelle und/oder dynamische Information auf atomarer Ebene zu erhalten.

Einleitung

In den letzten Jahren wurden bedeutende Fortschritte erzielt, um mittels hochauflösender Festkörper-NMR-Methoden heterogene Systeme wie Proteoliposomen, Mikrokristalle und präzipitierte oder fibrillisierte Moleküle auf struktureller Basis zu untersuchen. Dabei wird die Wechselwirkung von magnetischen Momenten, die bei einer Vielzahl von Atomen vorhanden sind, mit einem äußeren magnetischen Feld mit spektroskopischen Methoden untersucht. Strukturelle Information gewinnt man dabei unter anderem aus der NMR-Resonanzfrequenz einer einzelnen Atomposition, welche oft direkt von der molekularen Struktur abhängt, und der Messung von interatomaren Abständen. Spektroskopisch werden diese Wechselwirkungen dann im Rahmen von mehrdimensionaler Korrelationspektroskopie für viele verschiedene Atome des zu untersuchenden Systems analysiert [1].

Anwendungen

(1) Proteinaggregation

Amyloidose beschreibt einen Faltungsprozess, bei dem Proteine keine wohldefinierte Struktur einnehmen und tritt bei der Typ II-Diabetes sowie der Alzheimer- und Parkinson-Krankheit auf. Da Proteinfibrillen, sofern sie nicht aus kurzen Peptiden bestehen, nicht kristallin und schwer löslich sind, hat sich die Festkörper-NMR zu der führenden Technik zur strukturellen Analyse entwickelt. In Zusammenarbeit mit Kollegen am MPI für biophysikalische Chemie wurde in der AG Festkörper-NMR die Fibrillenbildung von α-Synuclein untersucht, welches aus 140 Aminosäuren besteht und eine große Rolle bei der Parkinson'schen Krankheit spielt. Dazu wurden neue Festkörper-NMR-Methoden entwickelt [2, 3], die eine spektrale Trennung der festen Kernstruktur der α-Synuclein-Fibrillen sowie der schnell beweglichen C-terminalen Enden bzw. der löslichen Monomere erlauben (Abb. 1). Die Festkörper-NMR-Messungen führten zu dem Ergebnis, dass α-Synuclein-Fibrillen aus einer zentralen Region bestehen, welche reich an β-Faltblatt-Strukturen ist, sowie einem hoch flexiblen C-Terminus und einem ungeordneten N-Terminus. In Zusammenarbeit mit anderen Forschungsgruppen innerhalb der Max-Planck-Gesellschaft werden z.Zt. weitere Proteine, die im Zusammenhang mit neurodegenerativen Erkrankungen eine Rolle spielen, mittels Festkörper-NMR-Methoden untersucht.

(2) Membranproteine

Das Studium der Struktur und Dynamik von Membranprotein steht in engem Zusammenhang mit dem Verständnis elementarer biologischer Prozesse wie Proteinsynthese, Transport und Signaltransduktion. Ionenkanäle steuern z.B. den selektiven Transport von Ionen in einem elektrochemischen Gradienten und werden durch äußere Moleküle (sog. Liganden) beeinflusst. Eine solche Wechselwirkung, d.h. die Bindung eines Toxins an einen Kaliumkanal, wurde mittels Festkörper-NMR in künstlichen Zellmembranen untersucht. In einem ersten Satz von Experimenten wurde dazu die Struktur des Toxins mittels Festkörper-NMR bestimmt [4]. Anschließend wurde durch Vergleichsexperimente des Ionenkanals in An- und Abwesenheit des Toxins das Bindungsverhalten auf atomarer Ebene analysiert [5]. Dabei zeigte es sich, dass sowohl Ligand als auch Ionenkanal ihre Struktur bei der Komplexbildung ändern (Abb. 2). Diese Beobachtung liefert neue Einblicke in die Funktionalität einer wichtigen Klasse von Membranproteinen und könnte bei der pharmakologischen Suche von effizienteren Medikamenten von Nutzen sein.

Ausblick

Die Festkörper-NMR hat in den letzten Jahren beachtliche Fortschritte bei der Analyse von biologischen Systemen gemacht. Weitere Verbesserungen im Bereich der Methodenentwicklung werden es ermöglichen, Biomoleküle von zunehmender Größe und Komplexität zu untersuchen. Die Kombination solcher Ansätze mit anderen biophysikalischen Techniken wird es zukünftig erlauben, elementare biologische Prozesse umfassend zu verstehen.

Danksagung

Die hier beschriebenen Resultate wurden in der AG Festkörper-NMR, z.T. in wissenschaftlicher Zusammenarbeit mit Kollegen in und außerhalb des MPIs für biophysikalische Chemie, erzielt.

Originalveröffentlichungen

1.
M. Baldus:
Molecular interactions investigated by multi-dimensional solid-state NMR.
Current Opinion in Structural Biology 16, 618-623 (2006).
2.
O.C. Andronesi, S. Becker, K. Seidel, H. Heise, H.S. Young, M. Baldus:
Determination of Membrane Protein Structure and Dynamics by Magic-Angle-Spinning Solid-State NMR Spectroscopy.
Journal of the American Chemical Society 127, 12965-12974 (2005).
3.
H. Heise, W. Hoyer, S. Becker, O.C. Andronesi, D. Riedel, M. Baldus:
Molecular-level secondary structure, polymorphism, and dynamics of full-length {alpha}-synuclein fibrils studied by solid-state NMR.
Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America 102, 15871-15876 (2005).
4.
A. Lange, S. Becker, K. Seidel, K. Giller, O. Pongs, M. Baldus:
A concept for rapid protein-structure determination by solid-state NMR spectroscopy.
Angewandte Chemie-International Edition 44, 2089-2092 (2005).
5.
A. Lange, K. Giller, S. Hornig, M.-F. Martin-Eauclaire, O. Pongs, S. Becker, M. Baldus:
Toxin-induced conformational changes in a potassium channel revealed by solid-state NMR.
Nature 440, 959-962 (2006)
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