Holzschneider
Farbholzschnitte von Heiner Bauschert

7. Juni bis 1. Juli 2001

Künstlerischer Werdegang

  • 1928: Heiner Bauschert wird am 17. August in Tübingen geboren
  • 1945-47: Private Kunstschule Hugo Lange in Tübingen
  • 1947-50: Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe: Malklasse Prof. Wilhelm Schnarrenberger, Zeichenklasse Prof. Karl Hubbuch, Fachklasse Lithographie Prof. Erich Heckel
  • 1950: Stipendium des Amerikahauses Karlsruhe, Entstehung der ersten Holzschnitte
  • 1955: Paris-Stipendium des Regierungspräsidiums, Südwürttemberg-Hohenzollern
  • 1950-86: Grafiker in Tübingen, Farbholzschnitte, vorwiegend Handabzüge in kleinen Auflagen, Illustrationen für Bücher und Zeitschriften (Tübinger Chronik), Aquarelle
  • 1952-86: Wissenschaftlicher Zeichner am Zoologischen Institut der Universität Tübingen, Leiter von Kursen für Zeichnen und Linolschnitt an der Volkshochschule Tübingen
  • 1951: Heirat mit Ruth Schlotterbeck
  • 1970: Heirat mit Marianne Engel
  • 1966-86: Reisen in mediterrane Länder, in denen der größte Teil seines Aquarellwerks entsteht
  • 1986: Heiner Bauschert stirbt am 7. September nach kurzer schwerer Krankheit

Literatur


Rudolf Bayer: Portrait Heiner Bauschert. Einführung Günther Wirth, Fotos Alfred Drossel, Galerie im Unteren Tor, Bietigheim-Bissingen 1978 [= WV I]

Rudolf Bayer: Heiner Bauschert, Holzschnitte 1979-1985. Mit einem Werkverzeichnis der Holzschnitte, Kunstforum Heilbronn, Heilbronn 1985 [= WV II]

Max Mülberger: Heiner Bauschert, Mensch und Werk, ein Portrait des Holzschneiders, Hauzenberg 1987 (Edition Toni Pongratz, Literarisch-Graphische Blätter, XVIII)

Marianne Bauschert-Engel (Hrsg.): Heiner Bauschert, Holzschnitte der frühen und letzten Jahre. Werkverzeichnis III, Einführung Rainer Zerbst, Tübingen 1988 [= WV III]

Marianne Bauschert-Engel (Hrsg.): Heiner Bauschert, Aquarelle, Tübingen 1988

Veronika Mertens, Marianne Bauschert-Engel (Hrsg.): Heiner Bauschert, Holzschnitte, Bestandskatalog, Veröffentlichungen der Städtischen Galerie Albstadt, Nr. 118, 1997


Holzschnitte von Heiner Bauschert befinden sich in folgenden Sammlungen und öffentlichen Institutionen: Graphische Sammlung der Staatsgalerie Stuttgart, Kreissparkasse Tübingen, Landkreis Ludwigsburg, Regierungspräsidium Südwürttemberg-Hohenzollern, Sammlung der Stadt Esslingen, Sammlung Landesgirokasse Stuttgart, Sammlung Lütze II, Sammlung G.A. Rieth, Städtische Galerie Albstadt, Städtisches Kunstmuseum Spendhaus Reutlingen, Stadt Tübingen, Volksbank Tübingen, Württembergische Bank Tübingen u.a.

Heiner Bauschert - ein Tübinger Holzschneider


Rede von Prof. Günther Wirth zur Eröffnung der Retrospektive in der Kunsthalle Tübingen im Sommer 1988

Der kanadische Maler Colville hat sich einmal zu dem tiefsinnigen Satz hinreißen lassen: "Als Realist muß ich alles erfinden". Ich nenne diese Bemerkung tiefsinnig, weil sie zum Nachdenken zwingt und weil sie in größter Prägnanz den Unterschied zwischen Realismus und Naturalismus definiert. Sie enthebt mich dadurch der Mühe, zu begründen, warum Heiner Bauschert nie Naturalist war, obwohl er ja von der Wirklichkeit der Natur, von der Wirklichkeit des Menschen, von der Wirklichkeit des von Menschen Gebauten ausging. Aber wenn man bei den Holzschnitten, die ja den Schwerpunkt des Werkes von Bauschert ausmachen, Blatt für Blatt durchgeht, von 1950 bis 1986, wenn man diese 36 Jahre Holzschneiderei genau ins Visier nimmt, wiederum Blatt für Blatt, dann entdeckt man die stets zugrunde liegende künstlerische Aktion. In dieser passiert es, daß sich Idee und Prozeß verschwistern, sich das Abheben von der Wirklichkeit zu einer neuen Bildrealität vollzieht. In der künstlerischen Aktion, also hier beim Schneiden, Einfärben, Walzen und Drucken, erlebte der realistische Holzschneider seine schöpferischen Stunden: die erfinderische Formverwandlung durch Vereinfachung, wobei Abstraktion und Weglassen die wesentlichen Merkmale sind. Sie wird unterstützt und intensiviert durch einen farbigen Gesamtklang subtiler und harmonischer Art, wobei allerhand Musik aus der Farbe geholt wird.

Form, Farbe, Intensität

Form, Farbe, Intensität - dieser profanen, aber künstlerischen Dreieinigkeit diente Heiner Bauschert, dabei vorsichtig genug, aus seiner Kunst keinen Brotberuf zu machen, und deshalb redlich genug, die Druckauflagen seiner Holzschnitte sehr klein zu halten. Fast ein Jahrzehnt lang begnügte er sich mit ein paar Probeabzügen - was die Blätter heute kostbar macht - und es war für ihn selbstverständlich, daß er dem Handdruck treu blieb, auch in der inflationären Zeit der Druckgraphik während der sechziger, siebziger Jahre. Dazu hat Heiner Bauschert selbst geschrieben: "Druckgraphik ist für viele Künstler und Kunstliebhaber Ersatz für das nicht multiplizierbare, gemalte Bild. Ich schneide bewußt und konsequent in Holz, weil meine Idee der Druck als Original ist. Meine Bilder in ihren Farbwerten und Formen wären auf andere Weise so nicht herstellbar, insofern ist für mich der Holzschnitt durchaus originär."

Dieser Standpunkt ist vertretbar. Er bildet sich bei Heiner Bauschert schon gegen Ende der Akademiezeit, die von 1947 bis 1950 dauerte. Davor lagen die zwei Jahre in der privaten Tübinger Kunstschule des Hugo Lange mit handwerklich-künstlerischer Grundausbildung. So konnte Lange zum Schüler, der an einer Zeichnung saß, sagen: "Da muß noch für fünf Pfennig Natur rein." Darauf wäre Baumeister nie gekommen. Und weil ihn dessen abstrakte Welt kalt ließ, ging Bauschert nicht nach Stuttgart sondern nach Karlsruhe, wo es ja eine lange realistische Tradition gab - Stichwort Hans Thoma -, von Hofer, Schlichter, Scholz, Hubbuch und Schnarrenberger weitergeführt. Die beiden letzteren wurden Bauscherts Lehrer, nur gelegentlich ging er zur Korrektur zu Heckel, der im graphischen Bereich den Weg vom Holzschnitt zur Lithographie beschritten hatte. Bauschert machte es genau umgekehrt, und dabei waren Hubbuch und Schnarrenberger wichtig. Bei Hubbuch, dessen Bedeutung so lange nach seinem Tode immer noch wächst, vertiefte sich die Einsicht Bauscherts in die Handwerklichkeit des Zeichnens, bei Schnarrenberger wurden die Schüler von einem Maler geführt, dem die Farbe alles war. Da ging es um den farbigen Glanz, um Transparenz, um die Nuancierung, aber auch um die Formtreue. Man denke nur an Schnarrenbergers Stillleben mit den herrlichen Durchsichtigkeiten der gemalten Gläser. Ein eigener Stil ergab sich daraus freilich für Bauschert während der Studienzeit noch nicht. Dazu war die Schulung zu hart, und außerdem war pünktliches Erscheinen ein Gebot.

Die eigene Bildwirklichkeit

Die Stilfindung erfolgte bei Heiner Bauschert erst, als er sich von der Akademie abnabelte, und sich zugleich völlig dem Holzschnitt zuwandte. Jetzt konnte Malerei "zerlegt" werden. Von diesen Akten der Zerlegung aus begann der Weg des Künstlers zu dem, was ich die eigene Bildwirklichkeit nennen möchte. Sie entstand im Holzschnitt, in der Technik des Ja und Nein, des Wegschneidens und Stehenlassens, des Druckens oder Nicht-Druckens. Es bleibt interessant, daß dieses Entweder-Oder diesem sensiblen Künstler entsprach, weil es eine Unbedingtheit erforderte, die er in ein lustvolles Tun zu integrieren vermochte. Er war schon eine sehr starke Persönlichkeit, dazu sehr freundlich, was man spätestens dann spürte, wenn man ihm im kleinen Atelier gegenüberstand. So konnte er es auch ertragen, ohne daran zu leiden, daß auf der von Tübingen nicht sehr weit entfernten Achalm HAP Grieshaber mit der ihm eigenen Radikalität seine Holzschnitte schuf und dabei zu immer größeren Formaten gelangte. Das hätte von magnetischer Wirkung sein können. Doch blieb Bauschert in erstaunlicher Weise stilistisch und thematisch unabhängig von Grieshaber. Er setzt anders an als dieser, der fortwährend Partei ergreift und sich als Partisan fühlt. Bauschert sucht und findet die Inhalte seiner Holzschnitte dort, wo das Leben noch quasi unbeschädigt ist und wo das eben auch der Wahrheit entspricht. Daher interessieren ihn künstlerisch keine Konfliktsituationen, sondern das, was für sich ist, etwa als Landschaft oder Architektur, oder als einzelnes Menschen- oder Tierwesen; sowie das, was miteinander kommuniziert, etwa ein Mensch in der Landschaft, Mensch mit Mensch, Leute bei der Arbeit oder Bäume als Wald. Daraus filtert er in seinen Holzschnitten die Konstanz der geschlossenen Form, in der manchmal auch das Erzählende seinen Platz findet. Interessant sind daneben auch die Porträts, deren realistischer Zuschnitt freilich vom Spätwerk Hubbuchs geprägt bleibt. Doch sind Knappheit und Verdichtung auch in anderen Motivreihen zu beobachten, bei denen wiederum das Prinzip Ähnlichkeit fehlt, das Bauschert in den Porträts sehr bewußt verfolgt, auch in den Selbstbildnissen.

Die Bedeutung der Farbe

Was die Farbe angeht - und das gilt nun für die Holzschnitte ebenso wie für die Aquarelle -, so muß er sie, wie er einmal selbst sagte, am Gegenstand gesehen haben. Daraus resultiert seine Farbsicherheit. Auch Weiß ist bei Heiner Bauschert nicht nur Fläche, sondern auch Farbe. Selten benutzt er die Farbe rein und unvermischt. Er stimmt sie ab zu gemeinsamem und harmonischem Klingen, das von hoch nach tief geht. Farbe wird verstanden wie in der Musik ein Akkord. Nicht von ungefähr war er ja auch ein großer Musikenthusiast.

Über Yves Kleins blaue Bilder sagte er: "Das ist reine Form." Wo doch jeder meint, es sei reine Farbe. Für Bauschert verbindet sich jedoch die Farbe stets mit einem Gegenstand. Das ist seine ganz personliche Sicht. Und sie wird zur Motivation der Farbgebung sowohl in den Holzschnitten als auch in den Aquarellen, in denen vor allem die Erlebnisse südlicher Landschaften Widerhall finden. Dahinter steht das Ferienglück des Reisens.

Als Fazit ist festzustellen, daß Heiner Bauschert viel mehr als Grieshaber in den Umkreis der südwestdeutschen Kunst gehört. Das ist eine Einschränkung und zugleich eine Hervorhebung. Denn er hat mit seinem Holzschnittwerk im Südwesten einen gewichtigen Platz errungen, und hier war auch sein Ort der künstlerischen Entfaltung. Geistig war er dabei mit anderen verbunden: in den Porträts, etwa auch in den "Drei Figuren" mit Hubbuch, in manchen Landschaften mit Jakob Bräckle, in den Landschaften mit Spaziergängern mit Erwin Henning. Doch in den schönen Farbholzschnitten der achtziger Jahre mit der immer stärkeren Einbeziehung der Holzmaserungen steht Heiner Bauschert in souveräner Weise allein. Man begreift, daß er, der eine Kunst aus dem Leben für das Leben schuf, noch viel zu sagen gehabt hätte. Doch da kam ihm der Tod zuvor, was uns nicht hindern sollte, die Eigenwertigkeit seiner Arbeit, vor allem in den Holzschnitten, neu zu sehen. Es war für den deutschen Südwesten ein Glück, daß es Heiner Bauschert gab. Mit "Abendspaziergang" und "Abschied im Park", die zu seinen schönsten Arbeiten gehören, hat er von Kunst und Leben Abschied genommen.

(aus: Tübinger Blätter 1988, S. 65-66)

Bis sich Wirklichkeit in Form verwandelt

Von Helmut Hornbogen

Es war am 7. September 1986, als der Tod ein Ende setzte, wo noch so viel Möglichkeit für Entwicklung und für Wandlung bestand. Denn Heiner Bauschert verfügte zwar inzwischen über sein Metier wie dazumal kein anderer, ließ sich aber nichtsdestoweniger immer wieder bereitwillig aus dem Gesicherten aufstören. Entwicklung und Wandlung bedeuteten ihm seit jeher ein Freiwerden, Befreiung. Der zunehmend "malerische" Charakter seiner farbigen Holzschnitte machte die Anstrengung des Umgangs mit dem spröden Holz mehr und mehr vergessen.

Heiner Bauschert war Holzschneider sui generis. Das Holz hatte für ihn geradezu existenzielle Bedeutung. Es gibt einen Holzschnitt von 1980, auf dem er sein Bildnis halb aus den konzentrischen Jahresringen einer Hirnholzscheibe herauswachsen ließ, die bei ihm zur Zeitscheibe wurde: Der klaffende Spalt neben dem Selbstportrait mutet wie ein memento mori an, und darunter ist sein Geburtsdatum ins Holz gegraben.

Am 17. August 1928 war Heiner Bauschert in Tübingen als Sohn eines künstlerisch talentierten Volksschullehrers zur Welt gekommen. Von 1947 bis 1950 studierte er an der Akademie der bildenden Künste Karlsruhe bei Wilhelm Schnarrenberger (Malerei) und Karl Hubbuch (Zeichnen). Schon der Student entdeckte seine Liebe zum Holz als Urbild des Gewachsenen. Es begann ein stilles und zähes, aber freundschaftliches Ringen, bei dem Bauschert nach und nach schier unübertreffliche Souveränität im Umgang mit Holzstock und Schneidemesser entwickelte. Die formale Reduktion und das sensibel kalkulierte Verhältnis von Form und Farben wurden ihm immer wichtiger. So kam es dann bald, dass sich seine gegenständlich gebliebenen Blätter immer auch von der reinen Form her lesen ließen, wie sich das für alle bedeutende Kunst gehört.

Durch HAP Grieshaber in erster, Heiner Bauschert dann aber auch schon in zweiter Linie avancierte Südwestdeutschland, oder enger noch: die Gegend um Reutlingen und Tübingen, zu einem Zentrum des neuen deutschen Holzschnitts. An weiteren Namen wären Klaus Herzer, Andreas Felger und Manfred Degenhardt zu nennen. Heiner Bauschert, der sich bei seinen frühen schwarzweißen Schnitten zunächst von expressionistischen Ausdrucksweisen leiten ließ, gehörte aber zu den ganz wenigen Holzschneidern, die sich auf eigenen Wegen aus dem Schatten Grieshabers zu lösen vermochten.

Als er sich um 1950 extensiv der Technik des Holzschnittes zuwandte, gehörte einiger Mut dazu. "Denn noch war der Holzschnitt nicht so etabliert, als dass man einen ergiebigen Markt für ihn hätte finden können", so schreibt Rainer Zerbst in einem Werkkatalog. "Noch war auch Grieshaber, knapp zwei Jahrzehnte älter als Bauschert, nicht populär. Zudem entwickelte Bauschert einen eigenen Stil, der in einer Zeit, in der die Kunstwelt von der Abstraktion und dem spontanen Ausdruck schwärmte, eigentlich gegen den Strom schwamm. Er strebte auch nicht eine symbolische Ausdrucksweise an wie Grieshaber, engagierte sich auch nicht so sehr für die politischen Vorgänge seiner Zeit wie sein älterer 'Nachbar' auf der Achalm bei Reutlingen. Dadurch stand er von vornherein weniger im Rampenlicht der Öffentlichkeit."

Nach seinem Tod hatte sich die Witwe des Künstlers, Marianne Bauschert-Engel, mit Nachdruck und Geschick dafür stark gemacht, dass er als Holzschneider den ihm gebührenden Platz in der Kunstgeschichte Südwestdeutschlands einnehmen kann. 1996 hat Frau Bauschert-Engel dem Spendhaus in Reutlingen und der Städtischen Galerie in Albstadt jeweils um die hundert Holzschnitte zukommen lassen. Gerade bei diesen beiden Adressen sind die Blätter nun in herausragenden Sammlungen integriert. Dem Tübinger Stadtmuseum vertraute die Witwe zudem etwa hundert Druckstöcke an. Im Oktober 1998 wurde dort eine Bauschert-Werkschau eröffnet, in der nicht nur herausragende Farbholzschnitte zu bewundern waren, sondern auch das Spannungsfeld Skizze / Druckstöcke / Holzschnitt dokumentiert wurde.

(aus: Schwäbisches Tagblatt, 17.8.1998)

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