Ehemalige Forschungsgruppe Molekulare Organogenese
Alle Säugetiere benötigen weit verzweigte Röhrensysteme, wie beispielsweise das Blutkreislaufsystem und die Lunge, um den Transport von Gasen und Flüssigkeiten zu ihren Geweben und Organen zu gewährleisten. Die molekularen Mechanismen, die zur Bildung der zellulären Röhrensysteme führen, sind aber nur sehr schwierig und zeitaufwendig in Säugetieren zu untersuchen. Als Modell der Lungenentwicklung dient uns daher das weniger komplexe und molekular gut zugängliche Tracheensystem der Taufliege Drosophila. Die Tracheen sind die Lungen der Insekten und bestehen ebenso aus baumartig verzweigten Röhren. Über feine Endstücke versorgen die Tracheen schließlich Organe und Gewebe mit Atemluft. Eine Reihe sehr ähnlicher Faktoren sorgt sowohl bei Tracheen als auch bei Lungen für die kontrollierte Verzweigung und den richtigen Durchmesser der Röhren. Beiden gemeinsam ist auch, dass die Röhren während der embryonalen Entwicklung zunächst mit Flüssigkeit gefüllt sind. Bei der Geburt von Säuglingen bzw. beim Schlüpfen der Fliegenlarven müssen die Leitungen trocken gelegt werden, um eine normale Atmung zu gewährleisten. So leiden Frühgeborene (Frühchen) häufig an einer Minderfunktion der Lungen, die durch unzureichende Resorption der Flüssigkeit aus den Lungenkapillaren ausgelöst werden kann – ein Krankheitsbild, das als "Respiratory Distress Syndrome" (RDS) bezeichnet wird. Auch beim erwachsenen Menschen kann die unkontrollierte Flüssigkeitsaufnahme der Lunge zu lebensbedrohlichen Ödemen führen.
In unserer Forschungsgruppe bearbeiten wir das Tracheensystem der Taufliege, um die molekularen Mechanismen der vernetzten Röhrenbildung sowie Resorption der Tracheenflüssigkeit zu untersuchen. Von den insgesamt 13.600 Genen von Drosophila sind etwa 7.000 Gene in ähnlicher Form auch im Erbgut des Menschen vorhanden. Bei der Durchmusterung dieser 7.000 Gene haben wir 20 Gene identifiziert, die eine spezifische Rolle für die Röhrenbildung oder deren Trockenlegung spielen. Letztlich möchten wir verstehen, in welche molekularen Mechanismen diese Gene eingebettet sind und ob ihre Funktionen über Artgrenzen hinweg konserviert sind.