Dopamin-Nanosensoren messen Signalübertragung zwischen Nervenzellen

27. Mai 2022

Der Botenstoff Dopamin spielt eine zentrale Rolle im menschlichen Gehirn. Dopamin-Nervenzellen kontrollieren beispielsweise unsere Bewegungen oder steuern das Belohnungssystem im Gehirn, wo sie auch ein Angriffsziel von Drogen wie Kokain oder Crystal-Meth sind. Sind die Zellen in ihrer Funktion beeinträchtigt, führt dies zu neuropsychiatrischen Störungen wie Suchterkrankungen oder Schizophrenie. Das Absterben von Dopamin-Nervenzellen löst die Parkinson-Krankheit aus. Göttinger Forschenden am Max-Planck-Institut (MPI) für Multidisziplinäre Naturwissenschaften ist es jetzt gelungen, die Freisetzung von Dopamin aus Nervenzellen mit bislang unerreichter Genauigkeit zu messen. Damit ist es möglich, die molekularen und zellulären Mechanismen zu untersuchen, die die Dopamin-Signalübertragung steuern, und aufzuklären, wie diese im Krankheitsfall gestört sind.

Möglich macht dies ein neu entwickeltes Dopamin-Mikroskopieverfahren, das Sofia Elizarova und James Daniel vom MPI für Multidisziplinäre Naturwissenschaften gemeinsam mit ihrem Kollegen Sebastian Kruss entwickelt haben. Es beruht auf spezifisch veränderten Kohlenstoff-Nanoröhrchen, die Dopamin binden und dadurch heller fluoreszent leuchten. Kohlenstoff-Nanoröhrchen bestehen aus Kohlenstoffatomen und sind dünner als ein Nanometer, also rund ein Hunderttausendstel mal so dünn wie ein menschliches Haar. Dem Physikochemiker Kruss gelang es, Kohlenstoff-Nanoröhrchen so maßzuschneidern, dass sie an Dopamin binden und je nach dessen Konzentration mehr oder weniger stark fluoreszieren.

Dazu nutzten die Forschenden einen Trick. „Wir haben verschiedene kurze DNA-Abschnitte an die Röhrchen gekoppelt, sodass sie ihre Fluoreszenz ändern, wenn sie mit bestimmten Molekülen in Kontakt kommen", erklärt Kruss, der kürzlich von Göttingen an die Universität Bochum wechselte. „So können die Kohlenstoff-Nanoröhrchen als Sensoren eingesetzt werden.“ Das Besondere daran: Sie fluoreszieren im nahen Infrarotbereich. Dieser ist für Menschen nicht sichtbar, kann aber tief in Gewebe eindringen und mikroskopische Strukturen schärfer abbilden.

Sensoren für die Dopamin-Forschung

„Dass solche Sensoren für die Dopamin-Forschung interessant sein würden, war uns sofort klar“, berichtet der Forscher. Aber rasch stellte sich heraus, dass nicht nur exakte Kenntnisse der physikalischen Chemie von Kohlenstoff-Nanoröhrchen gefordert sind, sondern auch ein ganz neues Infrarot-Fluoreszenzmikroskop entwickeln werden muss. Des Weiteren brauchte es einen Partner mit neurowissenschaftlichem Know-How, um die Nanosensoren effektiv für Dopamin-Experimente einzusetzen. Diesen Partner fand Kruss in Neurowissenschaftler James Daniel, der gemeinsam mit seiner Mitarbeiterin Sofia Elizarova in mehrjähriger Arbeit die Bedingungen für die Anzucht von Dopamin-Zellkulturen in Anwesenheit von Kohlenstoff-Nanoröhrchen optimierte.

„Die Herausforderung in diesem Experiment war, einerseits die Nervenzellen gesund zu halten, und andererseits zum passenden Zeitpunkt einen dichten Teppich von Dopaminsensoren ‚aufzulegen‘, der über mehrere Tage hinweg empfindlich genug bleibt“, erläutert Elizarova. Das stellte sich als viel schwieriger heraus als das Team erwartet hatte. „Unter den meisten Bedingungen waren entweder unsere Sensoren nicht empfindlich genug, oder die Nervenzellen starben ab, weil sie die Sensoren nicht tolerierten oder nicht optimal mit Nährstoffen versorgt wurden“, so die Biologin.

Die Ergebnisse sind die aufwändigen Experimente wert: Zum ersten Mal konnten die Wissenchaftler*innen im Detail verfolgen, über welche Mechanismen Dopamin-Moleküle entlang der Nervenendigungen freigesetzt werden. Da die Methode sowohl hocheffektiv als auch einfach anzuwenden ist, sehen Elizarova, Daniel und Kruss dafür großes Potenzial. „Wir hoffen, dass unsere neue Methode einen wesentlichen Beitrag zur Erforschung von Krankheiten leisten wird, die durch Dopamin-Fehlfunktionen verursacht werden. Darüber hinaus könnten unsere Nanosensoren beispielsweise für andere Signalmoleküle als Sensoren fungieren oder eingesetzt werden, um Nervenzellen von Patient*innen zu analysieren“, fasst Daniel die Erwartungen des Teams zusammen. (nb/cr)

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