Optogenetik

Wie entwickeln sich im Gehirn in seinen frühen Entwicklungsstadien emergente Eigenschaften? Eine dieser Eigenschaften und bedeutendes Charakteristikum des visuellen Cortex ist seine Fähigkeit, die Richtung von bewegten Konturen zu erkennen, die sogenannte Orientierungsselektivität. Um zu untersuchen, wie diese Orientierungsselektivität entsteht, sind Messungen der neuronalen Aktivität im lebenden und sehenden Gehirn erforderlich. Im anästhesierten Tier ermöglichen Messungen der Orientierungsselektivität jedoch nur die Analyse in wenigen Neuronen und an einem bestimmten Zeitpunkt. Um diese Einschränkungen zu überwinden, haben wir rein optische Techniken entwickelt, die in einem Surrogat-"Gehirn" mit einem in-silico-Sehweg kombiniert werden. Das Hybridsystem besteht aus einem Computermodell, das die retinale und thalamische Verarbeitung des visuellen Inputs nachahmt und das Ergebnis auf in-vitro gewachsene neuronale Netzwerke projiziert. Diese Neuronen werden lichtempfindlich gemacht, indem sie genetisch lichtaktivierte Ionenleitfähigkeiten exprimieren. Gleichzeitig erfassen wir die neuronale Aktivität innerhalb des Netzwerks durch genetisch exprimierte, von der neuronalen Aktivität abhängige Fluoreszenzindikatoren. Dieses rein optische, minimal-invasive System erlaubt somit die Beobachtung komplexer neuronaler Muster über Zeiträume von bis zu 21 Tagen. Es ist uns gelungen, die Orientierungsselektivität im neuronalen Netzwerk über diese langen Zeiträume zu verfolgen, und das, obwohl diese nie tatsächlichen visuellen Stimuli ausgesetzt wurden.

Wir experimentieren derzeit mit anderen Erregungsreizen, wie sie von anderen Tieren "gesehen" werden, und vergleichen die Ergebnisse von in-vivo-Messungen anderer Arbeitsgruppen.  Weiterhin erlaubt unsere Methode, in Zusammenarbeit mit Fred Wolf und seiner Gruppe “Theoretische Neurobiologie”, theoretische Modelle der Gehirnentwicklung experimentell zu validieren.

Nach dem aktuellen Ausbruch der Pandemie haben sich alle Bemühungen der Gruppe darauf konzentriert, in Zusammenarbeit mit David Gomez und seiner Gruppe "Systems Medicine Innovation" erschwingliche, aber zuverlässige und schnelle Lösungen für die Früherkennung von COVID-19-Infektionen zu entwickeln. Ein Prototyp liefert bereits vielversprechende Ergebnisse.

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